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0855 - Geisel der Finsternis

0855 - Geisel der Finsternis

Titel: 0855 - Geisel der Finsternis
Autoren: Volker Krämer
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dich vorhin auch nicht selbst begrüßen. Ich musste erst einmal wieder zu mir finden, verstehst du?«
    Nein, Artimus verstand nicht, aber er schwieg. Wie man die ganze Sache auch immer sehen mochte - irgendetwas in ihm war durchaus zufrieden mit der Tatsache, dass sich der Speer nicht als alles zerstörende Waffe entpuppt hatte.
    Es hätte einfach nicht gepasst, wäre nicht richtig gewesen.
    Der Wald schien in Sichtweite zu enden. Vinca nickte van Zant zu. »Komm, ich will dir dort etwas zeigen. Etwas, das dein Verstehen erweitern wird.«
    Er beschleunigte seine Schritte so sehr, dass der Südstaatler kaum mithalten konnte. Dann standen sie an der absoluten Baumgrenze. Van Zant stöhnte auf. Hier, wo der Wald endete, fiel das Gelände rapide um gut 20 Meter steil ab. Im Tal begann sie - die weiße Stadt.
    Und sie schien nicht zu enden. Wohin Artimus auch blickte, er konnte kein Ende des Häusermeers erkennen. Erst der Horizont… Doch irgendwie wusste der Physiker, dass er auch dahinter nichts anderes vorfinden würde. Nichts als schneeweiße Gebäude, nur durchzogen von weißen Straßen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis van Zant realisierte, was hier anders als bei Armakath war.
    Die Mauer - nirgendwo war eine Stadtmauer zu sehen.
    Vinca erriet die Gedanken seines Gastes. »Du wirst keine Mauer finden, Bruder. Wozu sollte sie dienen? Da gibt es nichts mehr, was hinter einem solchen Bauwerk liegen könnte.« Vinca spürte van Zants fragenden Blick. »Die ganze Welt ist nur noch eine einzige weiße Stadt…«
    ***
    »Ich bin hier auf Parom geboren, Bruder.« Vinca starrte auf die Stadt hinunter, und Artimus hörte das Zittern in der Stimme des Kriegers. »Es war eine wundervolle Welt, glaub mir.«
    Vinca lehnte sich gegen den Baum, der nahe dem Abgrund stand. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, als er fortfuhr.
    »Dann kam die Stadt. Das Volk von Parom wollte keine Konfrontation, keinen Krieg. Mit wem auch? Hier gab es ja nur ein paar leere Gebäude. Man ignorierte die Stadt ganz einfach. Nur wenige bemerkten anfangs überhaupt, dass sie wuchs, immer mehr Platz beanspruchte.« Er warf einen Blick zu Artimus. »Du weißt, was diese Gebäude sind, nicht wahr?«
    Van Zant hatte es nicht vergessen - sie entstanden aus den Seelen, dem Bewusstsein von Lebewesen. Und zumindest Armakath war nicht wählerisch vorgegangen, wenn es darum ging, neue Häuser der Stadt einzuverleiben. Das war auch einer der Gründe für Professor Zamorra, die weiße Stadt in der Hölle nicht unkritisch zu sehen.
    »Ich war einer der wenigen, der damals den Mut hatte, in die Stadt einzudringen. Ihre hohen Mauern erwiesen sich für andere Abenteurer als tödlich. Nicht für mich. Mir tat die Stadt nichts.« Ein feines Lächeln lag auf Vincas Gesicht. »Ich traf die Wächterin. Als ich sie sah, war es um mich geschehen. Es war Lakir, wie du sicher schon erraten hast. Nur zu gerne wurde ich ihr Krieger. Offenbar war ich dazu bestimmt. Schau auf meine Stirn. Ich war so von der weißen Stadt und ihrer Philosophie überzeugt, dass ich mir das Wurzelzeichen für alle Zeiten in die Haut brennen ließ. Ich war ein guter Krieger. Drei Angriffe der Paromer wehrte ich ab. Ich holte mächtige Kriegerinnen und Krieger mit dem Speer zur Hilfe.«
    Vinca stieß sich vom Baum ab. Kopfschüttelnd sprach er weiter. »Ich konnte das nicht begreifen - warum wollten die Bewohner Paroms die Stadt vernichten? Das machte doch keinen Sinn. Ich sah nur Lakir, meine Geliebte, nach deren Leben sie trachteten. Es hat viele Umläufe der Sonne gebraucht, bis ich begriff.« Vinca streckte den Arm in die Richtung, in der das Haus stand. »Nimm das Haus als Mittelpunkt, zieh einen Kreis darum, dessen äußerer Punkt hier liegt. Das, Bruder, ist alles, was von Parom übrig blieb. Das letzte Refugium. Nicht mehr lange, dann wird es auch von Seelenhäusern gefressen. Und dann… dann kommen die Urbanen!«
    Van Zant begriff. So hatte er es sich vorgestellt. Erst wenn sich eine weiße Stadt wie ein bösartiges Geschwür restlos um eine Welt gelegt hatte, wenn nichts anderes mehr vorhanden war, dann war der Plan aufgegangen.
    »Nenne mir den Sinn, der hinter den Städten liegt. Es muss einen Grund geben, warum sich die Urbanen so über die Galaxien verteilen.«
    »Den Sinn?« Vinca stellte sich dicht vor van Zant, sah ihm direkt in die Augen. »Den Sinn wirst du erst dann erfahren, wenn es für uns alle schon zu spät ist. Die Urbanen sind es ganz sicher nicht, die dir eine Antwort
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