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0843 - Tunnel der hungrigen Leichen

0843 - Tunnel der hungrigen Leichen

Titel: 0843 - Tunnel der hungrigen Leichen
Autoren: Jason Dark
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Mensch mehr. Er schwebte zwischen Tod und Leben. Den Mund hielt er noch geschlossen, ein reiner Reflex, diktiert vom Überlebenswillen.
    Kein Wasser schlucken! hämmerte er sich ein. Kein Wasser schlucken! Und doch schaffte er es nicht mehr.
    Er riß den Mund auf.
    Da packte die nächste Kralle zu und stopfte ihre sehnigen Totenfinger in seinen weit geöffneten Mund.
    Als Toter sackte der Mann dem schlammigen Grund entgegen und blieb darin stecken.
    Die Hände aber machten weiter.
    Sie waren grausam und kannten kein Pardon. Niemand durfte ihr Geheimnis kennen. Niemand sollte erfahren, wer sie waren, und die Wasser-Zombies leisteten ganze Arbeit.
    Auch Leichen können hungrig sein…
    ***
    Ich hatte mich durch den Londoner Verkehr gewühlt und war froh, die Tiefgarage erreicht zu haben, wo ich den Wagen in die Parktasche fuhr und ausstieg.
    Der übliche Geruch hatte mich wieder. Hier unten roch es immer nach Abgasen und Öl, und um diese Zeit herrschte auch relativ viel Betrieb, denn zahlreiche Mieter kehrten von ihren Arbeitsstellen zurück.
    Ich schloß den Rover ab, sah Sukos BMW ebenfalls hier unten, und es war alles so wie immer.
    Trotzdem hatte ich den Eindruck, daß sich etwas verändert hatte.
    Ich wußte nicht, was es war. Nur ein Gefühl, vielleicht auch die Nachwirkung dessen, was ich auf der Autobahn erlebt hatte, denn dieses Geschehen hatte ich noch nicht überwunden. Es hing mir einfach nach.
    Die gefütterte Jacke hatte ich über den Arm gehängt, als ich zum Lift ging. Auch wenn ich mich umschaute, tat ich es nie auffällig. Ich entdeckte nichts Ungewöhnliches, bis auf eine Mieterin, die mit schnellen Schritten ebenfalls auf den Lift zueilte, weil sie mit mir zusammen nach oben fahren wollte.
    Ich kannte die Frau mit den blonden, wirren Haaren vom Ansehen. Sie war etwas außer Atem. Der lange helle Ledermantel stand offen, darunter trug sie einen Rock und einen Pullover. Eine Tasche hatte sie unter den rechten Arm geklemmt.
    »Nehmen Sie mich mit?« fragte sie und schob dabei die Brille in die Höhe.
    »Aber immer doch.«
    Tief ausatmend lehnte sie sich gegen die Wand. »Himmel, war das ein Tag heute!«
    »Schlimm?« erkundigte ich mich.
    »Stressig.«
    »Wohin müssen sie?«
    Die Frau fuhr durch ihr Haar. »In die zwölfte Etage.«
    Ich drückte also die Zwölf und für mich die Zehn.
    Während die Frau in ihrer Tasche kramte und sicherlich den Wohnungsschlüssel suchte, schaute ich ins Leere, den Kopf noch immer voller Gedanken, zuckte aber zusammen, als ich den kühlen Hauch bemerkte, der mein Gesicht streifte.
    Hier stand kein Fenster offen, Durchzug war es also nicht. Welche Ursache hatte jedoch der Hauch?
    Ich schaute zur Decke, die irgendein Witzbold bekritzelt hatte.
    Es war der falsche Blick.
    Die Blonde mit den Zöpfen stand vor mir!
    So dicht, daß mich ihr Körper eigentlich hätte berühren müssen, doch ich spürte nichts. Ich schaute zuerst auf ihre Brüste, die sich konturenscharf unter der Bluse abmalten, dann glitt mein Blick höher und erwischte ihre Augen, die mir vorkamen wie zwei kalte, eisblaue Perlen. Sie sahen mich nur starr an. Ich versuchte, in ihnen so etwas wie eine Botschaft zu lesen, ohne jedoch damit zurechtzukommen.
    Unwillkürlich streckte ich meine Hand aus und hörte ihr leises Lachen. Nein, nicht die Blonde mit den Zöpfen hatte gelacht, sondern die Frau, die mit mir hochfuhr.
    Dieses Geräusch riß mich wie aus einem Traum.
    Die Mitbewohnerin schaute mich groß an. Ihr Lächeln wirkte gequält. »Was ist mit ihrer Hand?«
    »Was soll damit sein, bitte?«
    »Sie haben sie mir entgegengestreckt, als wollte sie mich streicheln oder berühren.«
    Ich schluckte und stellte selbst fest, daß ich leicht rot wurde. »Pardon, aber das hatte ich nicht vor. Es war mehr ein… ja, ein Reflex.« Bei dieser Antwort kam ich mir dumm vor, doch ich hatte die Wahrheit gesagt, denn ich dachte noch immer an die Blonde mit den Zöpfen.
    Durch das Lachen wollte mich meine Mitfahrerin beruhigen. »Wir sind wohl alle ein wenig genervt, denke ich.«
    »Das wird es wohl sein.«
    Endlich erreichten wir die zehnte Etage, wo ich aussteigen mußte, und ich entschuldigte mich noch einmal kurz.
    »Sie können mich ja irgendwann einmal zu einem Drink einladen«, entgegnete sie.
    »Gut, darauf komme ich zurück.« Es war die übliche Konversation zwischen zwei Hausbewohnern, nichts Konkretes, man stand im Lift zusammen und unterhielt sich eben.
    Im Flur schaute ich mich um. Ich selbst kam mir in
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