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0840 - Das Drachenmädchen

0840 - Das Drachenmädchen

Titel: 0840 - Das Drachenmädchen
Autoren: Jason Dark
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Vorahnungen.«
    »Inwiefern?«
    »Daß uns in dieser Nacht noch Schlimmes widerfahren kann.« Shao deutete zuckend auf die Fassade. »Und daran eben trägt dieses verdammte Haus die Schuld. Da lebt und lauert etwas, das ich nicht nachvollziehen kann, und es hat nicht unbedingt mit dem Gesicht des Mädchens zu tun. Ich meine nicht unmittelbar.«
    »Denkst du an Geister?«
    »Vielleicht.«
    »Dann sollten wir so schnell wie möglich hineingehen und uns den Bau von innen anschauen.«
    »Ja, natürlich.« Shao stimmte zwar zu, tat aber das Gegenteil davon und drehte dem Haus den Rücken zu.
    Sie schaute zur Straße, über die auch noch zu dieser Zeit ohne Unterlaß der Verkehr floß. Hongkong kam einfach niemals zur Ruhe. Hongkong boomte, Hongkong war in. Geräusche, Hektik, Lärm, Stimmen zahlreicher Menschen, die enge Gehsteige bevölkerten, nicht so sehr in dieser Gegend, aber weiter nördlich, wo auch die gewaltigen Shopping Center lagen und auch noch die kleinen Läden, wo man einfach alles kaufen konnte. Hongkong veränderte sich von Monat zu Monat. Selbst Suko, der eine engere Beziehung zu dieser Stadt besaß als Shao, hatte oft genug den Kopf geschüttelt, wenn wieder neue Stadtteile aus dem Boden gestampft worden waren.
    Auch zwischen ihrem Standort und dem Hotel bewegte sich der glitzernde und farbige Strom aus Fahrzeugen. Die Wagen rollten so dicht hintereinander her, daß Lücken erst bei genauerem Hinsehen auszumachen waren. Durch diese mogelten sich noch die Radfahrer, die Boten, die häufig flinker ans Ziel gelangten als die Autos.
    Einige Fahrzeuge waren zu rikschaähnlichen Sulkis umgebaut worden. Wer sich nicht auf das Taxi verlassen wollte, nahm diese Gelegenheit wahr, mußte aber damit leben, die zahlreichen Abgase einzuatmen.
    Shao drehte sich wieder um und seufzte.
    »Was hast du?« fragte Suko. Er legte ihr fürsorglich einen Arm um die Schultern.
    »Die Stadt gefällt mir nicht mehr.«
    »Oh, so plötzlich?« wunderte sich der Inspektor. »Warum gefällt sie dir nicht? Das kann doch nicht nur mit dem Erscheinen des Gesichts zusammenhängen.«
    »Stimmt, es geht um andere Dinge. Die Hektik ist schlimm geworden, Suko. Hier gibt es überhaupt keine Ruhe.« Sie räusperte sich. »Wie soll ich es ausdrücken? Ich sehe Menschen und habe den Eindruck, daß es Marionetten sind. Die leben nur versuchsweise.« Sie mußte über den Vergleich selbst lachen. »Meine Güte, jetzt rede ich schon wie John Sinclair oder Bill Conolly. Aber es ist so, Suko. Das sind Roboter, auch wenn sie lächeln. Sie haben nichts Menschliches mehr an sich. Das sind Figuren in einem strategischen Spiel.«
    Suko nickte. »Ein Fluch der Zeit.«
    »Stimmt. Modernes Leben, moderne Zeiten, Hektik. Ehrlich, Suko«, sie schaute ihn von der Seite her an. »Ich bin froh, wenn wir bald wieder fliegen.«
    »Sehnsucht nach London?«
    »Ja.«
    »Aber zuvor schauen wir uns das Haus von innen an, denke ich.«
    »Wenn sie uns reinlassen.«
    Suko konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. »Noch ist Hongkong so etwas wie eine britische Kronkolonie, und du weißt, daß hier auch die englischen Gesetze herrschen.«
    »Da haben wir Glück gehabt.«
    »Gehören wir denn nicht zu den Glückskindern?« Er strahlte, und seine Augen strahlten mit. »Bist du nicht froh, dem Amaterasusreich entkommen zu sein?«
    »Das schon. Sie hat wohl eingesehen, daß die Zeit noch nicht reif ist und ich kaum etwas ändern kann. Sie wird weiterhin eine Gefangene bleiben. Ich mußte die Erfahrung machen, daß mir ebenfalls Grenzen gesetzt worden sind. Ob es für immer ist, das weiß ich nicht. Es könnte der Fall eintreten, daß es wieder von vorn beginnt und ich den Ruf der Sonnengöttin empfange. Dann werde ich ihm folgen müssen, denn ich bin nun mal die letzte in der Ahnenreihe.«
    »Willst du dir jetzt und hier darüber Gedanken machen?«
    Shao schüttelte den Kopf, lachte und warf sich in Sukos Arme. Sie drückte ihm zwei schnelle Küsse auf die Lippen. »Nein, auf keinen Fall. Das bin ich mir und dir schuldig. Ich lebe jetzt, hier in der Gegenwart, und ich werde versuchen, mir abzugewöhnen, mit der Zukunft zu kokettieren.«
    »Das mußt du wissen.«
    »Können wir gehen?«
    »Sicher.«
    »Sie wollen in das Haus?«
    Shao und Suko hörten die etwas krächzende Stimme, als sie den ersten Schritt nach vorn gegangen waren. Die Sprecherin selbst hatten sie nicht gesehen, und sie mußten sich beide drehen, um sie entdecken zu können. Es war eine Frau, eine kleine Frau,
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