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0825 - Böse kleine Elena

0825 - Böse kleine Elena

Titel: 0825 - Böse kleine Elena
Autoren: Jason Dark
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Verwesungsgeruch hatte sich in der feuchten Kälte gehalten.
    Ein Grab in der Ruine. Eine Tote ohne Kopf, umrahmt von verwelkten Blumen, die ebenfalls einen sehr fauligen Geruch abgaben, der sich zusätzlich auf unsere Atemwege legte.
    Nein, es war nicht zu begreifen, was Elena hier tat. Wir mussten es akzeptieren, aber ich glaubte nicht so recht daran, dass sie noch alles nachvollziehen konnte. Ihr Verstand war einfach zu verwirrt, denn sie hatte sich zu sehr an ihre Mutter geklammert und wahrscheinlich nicht akzeptiert, dass sie tot war.
    Auch jetzt noch nicht, da sie den Kopf mit beiden Händen hielt und über ihn hinweg mit dem Torso ihrer Mutter sprach, als wäre sie noch das Kind, das von der Mutter Trost erwartete.
    Ja, sie war das Kind.
    In diesem Augenblick verwandelte sie sich, denn auch ihre Stimme war anders geworden. Sie hatte einen hohen Klang angenommen, die einzelnen Worte waren längst nicht mehr so flüssig zusammengefügt. Elena sprach wie eine Achtjährige.
    Ich konnte sie leider nicht verstehen, aber Harry Stahl sorgte für die Übersetzung. Er flüsterte mir die Worte ins Ohr, zu Elenas Worten etwas zeitversetzt, und er übersetzte zudem indirekt.
    »Sie bedankt sich, sie freut sich, dass sie es geschafft hat, die Mutter wiederzuhaben. Sie ist der Meinung, dass jetzt alles gut ist.« Harry musste sich bei seiner Übersetzung mehrmals unterbrechen. Das Entsetzen zeichnete sich immer noch auf seinem Gesicht ab. Ihn nahm das alles sehr mit, nur mühsam bewahrte er die Beherrschung, aber er hörte hin und redete weiter.
    »Sie will, dass alles wieder so wird wie früher. Sie will mit ihrer Mutter weggehen. Sie hat sie so vermisst. Sie war bei den Zigeunern, dort hat Elena sie gesucht, aber nicht gefunden, und die Zigeuner haben ihr gesagt, dass die Mutter nicht mehr lebt. Dass sie sich selbst getötet hat, was Elena nicht glauben wollte. Man hat ihr dann den Körper gezeigt, und sie hat ihn gestohlen, als sie von ihrem Vater geflohen war. Nur den Kopf hat sie nicht gefunden.«
    Das alles entnahm Harry dem Selbstgespräch der Elena Scott, aber die große Frage, wer Tabita den Kopf abgeschlagen hatte, blieb nach wie vor ungeklärt.
    »Weißt du nicht, wer Tabita geköpft hat?«
    »Nein.«
    »Aber er ist magisch beeinflusst. Der Schädel hat sich bei uns gemeldet, er hat sich sogar bewegt.«
    »Ja, weiß ich.«
    »Hast du eine Idee?«
    »Nein.«
    Elena war verstummt. Sie kniete noch immer vor dem Lager der Toten.
    Den Kopf hielt sie gesenkt. Ihre Hände lagen nicht in meinem Blickfeld, aber in dieser Haltung sah sie aus wie eine Betende.
    Ich schob mich so lautlos wie möglich näher an sie heran. Dicht hinter ihrem Rücken stoppte ich, und so konnte ich über ihren Kopf hinweg auf das Grab schauen und sah alles, denn das Licht der Kerze streute die Helligkeit nach unten.
    Elena Scott hatte den blanken Totenschädel so an den Halsstumpf gelegt, dass es beim ersten flüchtigen Hinsehen aussah, als wären beide Teile wieder miteinander verbunden. Ich hatte zudem das Gefühl, dass sie sich der Hoffnung hingab, die Mutter wäre noch am Leben, denn sie streichelte mit beiden Händen die halb verweste Leiche, an deren Knochen noch dunkles Fleisch hing.
    Ich schrak leicht zusammen, als Elena mit ihr sprach. Dabei nickte sie dem kahlen Totenschädel zu, als wollte sie so eine Antwort herausfordern.
    Ich verstand nicht, was die Tochter der toten Mutter alles sagte, aber aus dem Tonfall konnte ich mir schon so einiges zusammenreimen. Es hörte sich an, als würde sie die Mutter um Schutz bitten. Sie sprach nie gleich, manchmal klang ihre Stimme überdreht, dann wieder etwas traurig. Sie lachte auch, sie klatschte in die Hände, das alles untermalt vom Klang der Kinder stimme.
    Für mich war es ein furchtbares Bild, das ich nie im Leben vergessen würde. Manchmal hatte ich daran gedacht, nichts Neues mehr erleben zu können, das war in diesem Fall anders. Immer wieder erlebte ich diese und ähnliche Überraschungen, und mein Gefühlsleben schwebte zwischen Schock und Mitleid.
    Wir mussten diesem Mädchen helfen, und wir konnten Elena auch nicht länger hier allein mit der Leiche leben lassen. Elena war wahnsinnig geworden, sie begriff überhaupt nicht mehr, wo sie sich eigentlich befand.
    Wahrscheinlich dachte sie noch immer daran, ein Kind zu sein und unter dem Schutz der Mutter zu stehen.
    Es war schlimm, sehr schlimm…
    Harry trat dicht an mich heran, damit er in mein Ohr flüstern konnte.
    »Sie will mit ihr
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