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0809 - Das Schlangenkreuz

0809 - Das Schlangenkreuz

Titel: 0809 - Das Schlangenkreuz
Autoren: Jason Dark
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schlossen. Nicht jeder Polizist war so wie Crane. Der Geistliche hatte andere kennen gelernt, die ihren Job eiskalt und ohne Gefühl für die Sache ausführten. Denen nicht einmal klar geworden war, dass sie es bei ihrer Arbeit mit Menschen zu tun hatten und nicht mit Schachfiguren.
    Als Marsha Blanc zum dritten Mal rief, stand der Pater bereits an der Tür. Er öffnete sie spaltbreit und rief sein »Ja, ich komme schon!« nach unten. »Ah, Sie sind doch wach.«
    »Das konnte nicht ausbleiben.« Marsha lachte. »Nein, meine Stimme ist irgendwo einmalig. Hat schon mein verblichener Gatte immer gesagt.«
    »Was gibt es denn?«
    »Ich habe Ihnen etwas zu essen gemacht. Sie wollten doch vor dem Abend noch einen kleinen Imbiss nehmen.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Dann kommen Sie auch.«
    Der Geistliche musste lächeln. So war Marsha eben. Immer sehr besorgt. Manchmal schon zu besorgt, denn sie hatte ein einnehmendes Wesen. Sie fühlte sich immer als Mutter, die jemanden beschützen musste. Da ihr Mann tot war, hatte sie viel Zeit und sich in der Gemeinde sehr stark engagiert. Sie war so etwas wie der Feldwebel, im guten Sinne allerdings. Da es ihr finanziell nicht schlecht ging, unterstützte sie Menschen, die arm waren. Oft hielt sie ihre Pension für Arme und Obdachlose kostenlos geöffnet, sie war so etwas wie ein Engel in der Finsternis, und da musste man ihre Eigenarten eben akzeptieren. Menschen wie Marsha gab es leider viel zu wenige. Da kannte sich der Pater aus, denn seine Gemeinde lag an den Slums, wo Reichtum ein Fremdwort war und man so etwas nur aus der Glotze kannte.
    Der Flur war dunkel. Dunkles Holz bedeckte die Wände. Vor dem einzigen hellen ›Fleck‹, einem Spiegel, blieb er für einen Moment stehen und betrachtete sich selbst.
    Der Pater war groß, ziemlich kräftig, aber in der letzten Zeit etwas schmal geworden. Seine Frisur wirkte wie eine weiß-graue Kappe, sein Gesicht zeigte tiefe Falten, und er ärgerte sich darüber, dass seine Augen etwas müde blickten.
    Er trug kein Priestergewand, sondern normale Straßenkleidung, trotzdem wusste jeder, mit wem er es zu tun hatte, wenn er seinen Weg durch das Viertel machte.
    Über die Holztreppe ging er nach unten. Die Klänge eines eingeschalteten Radios wehten ihm entgegen. Es war französische Musik, Chansons aus der Heimat, denn viele Menschen hier sahen das europäische Mutterland noch immer als Heimat an.
    Marsha Blanc stand im Flur, direkt vor der Garderobe aus Schmiedeeisen. Lächelnd blickte sie dem Pater entgegen. »Sie sehen müde aus«, stellte sie fest.
    »Ich hatte auch geschlafen.«
    »Oh – hätte ich Sie nicht wecken sollen?«
    »Es ist schon gut gewesen, dass Sie es getan haben.«
    »Und jetzt werden Sie erst mal etwas essen.«
    »Ja, das freut mich.«
    Er ging in die Küche, die nicht nur als Küche diente, sondern gleichzeitig als Kommunikationszentrum. Hier versammelten sich oft die Freunde der Frau zu langen Diskussionen, hier bewirtete sie die Armen. An dem großen viereckigen Tisch kam sich der Pater zunächst etwas verloren vor, als er seinen Platz eingenommen hatte.
    Marsha hatte gekocht. Der große Eisentopf stand auf dem Herd.
    Unter ihm brannte ein Feuer, und es war sehr heiß im Raum. Trotz des Durchzugs; zwei Fenster standen offen. Die dünnen Fliegendrähte zitterten im Wind.
    Ansonsten standen alte Möbel in der viereckigen Küche. In ihnen hatte Marsha einiges verstaut, aber ihr eigentliches Reich war die große Kochstelle, an der sie stand. Dass sie nur Domingo als Besucher in der Küche hatte, also nur einen Gast, kam äußerst selten vor.
    Marsha Blanc war eine mächtige Frau. Ihr lackschwarzes Haar hatte sie glatt zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden. Es gab auch ein weiteres Markenzeichen an ihr.
    Sie schminkte sich gern, besonders die Lippen, und die glühten in einem dunklen Rot. Ihre mächtige Figur zeigte sie nicht gern. Zumeist trug sie weite Kleider mit blumigen Drucken.
    Marsha war fünfundvierzig Jahre alt und seit zwei Jahren Witwe.
    Ihren Mann hatte sie bei einem Unfall verloren. Er war in eine Schrottpresse hineingeraten, und man hatte gemunkelt, dass dies kein Unfall gewesen wäre. Beerdigt worden war nur ein leerer Sarg, Marsha drehte sich um. In der Hand hielt sie einen Teller. Sie hatte das Gericht aus dem großen Topf geschöpft, und dieser kreolische Eintopf zählte zu ihren Spezialitäten. Was er genau enthielt, war ihr Geheimnis, jedenfalls befanden sich zahlreiche
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