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08 Geweihte des Todes - Adrian Lara

Titel: 08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
Autoren: Adrian Lara
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so fröhlich wirkenden Haus geführt hatten, das ihr letztes Gefängnis gewesen war.
    Gott, Jenna, dachte er. Er hatte die ganze Zeit über an sie denken müssen. Der einzige Ort, wo er jetzt sein wollte, war bei ihr – sie sicher und warm in seinen Armen zu spüren.
    Sie war der Grund gewesen, warum er schweigend von Gloucester nach Rhode Island gefahren war, innerlich zerrissen, dass Corinne neben ihm auf dem Beifahrersitz geschlummert hatte, unglaublich lebendig nach so vielen Jahren – und es ihn doch mit jeder Faser seines Herzens unwiderstehlich zurück nach Boston zog.
    Zurück zu Jenna.
    Aber er konnte Corinne jetzt nicht einfach im Stich lassen. Er schuldete ihr mehr als das. Weil er dabei versagt hatte, sie zu beschützen, war sie herausgerissen worden aus allem, was sie kannte, und hatte in Dragos’ Klauen unaussprechliche Qualen erleiden müssen. Wegen ihm war ihr Leben zerstört worden.
    Wie konnte er das alles jetzt einfach ignorieren und zu dem Glück zurückkehren, das er mit Jenna gefunden hatte?
    Als hätten allein seine düsteren Gedanken sie herbeigezaubert, spürte er Corinnes Anwesenheit hinter sich.
    Reichen und Claire sahen schweigend an ihm vorbei, dann drehten sie sich um und gingen zusammen davon, ließen ihn allein, um sich den Geistern seiner Vergangenheit zu stellen.
    Sie hatte gebadet und saubere Sachen an. Aber Herr im Himmel, wie klein und zerbrechlich sie immer noch war! Der langärmelige Fleecepullover und die Yogahose hingen überweit an ihrem winzigen Körper. Ihre Wangen waren blass und eingefallen, und unter ihren einst so funkelnden mandelförmigen Augen waren große dunkle Ringe.
    Jetzt, wo sie ihr Rabenhaar in einem langen Pferdeschwanz trug, konnte er sehen, dass sie älter geworden war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Damals war sie achtzehn gewesen, und obwohl sie inzwischen über neunzig war, wirkte Corinne wie dreißig. Nur die regelmäßige Einnahme von Stammesblut konnte ihre Jugend so konserviert haben, und Brock wurde übel bei der Vorstellung, was sie in Dragos’ Schreckenslabor hatte erleiden müssen.
    „Meine Güte, Corinne“, murmelte er und kam auf sie zu, während sie erstarrt und stumm einen Meter vor ihm in der Halle stand. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
    Kleine Schnitte und Narben verunstalteten das Gesicht, das in seiner Erinnerung so makellos gewesen war. Ihre Augen waren immer noch exotisch, immer noch so kühn, dass sie nicht einmal blinzelten, als er sie jetzt so erschüttert musterte. Aber nun hatte ihr Blick eine neue Härte bekommen. Das verspielte Kind, die jugendliche Unschuld waren fort, und an ihre Stelle war eine stille, berechnende Überlebende getreten.
    Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie wich mit einem leichten Kopfschütteln zurück. Er ließ die Hand sinken und ballte sie zur Faust. „Ach Corinne. Kannst du mir je vergeben?“
    Ihre schmalen Brauen runzelten sich leicht. „Nein …“
    Ihre leise Antwort vernichtete ihn völlig. Er hatte es verdient, das wusste er und konnte kaum ein Wort zu seiner Verteidigung sagen. Er hatte versagt und sie im Stich gelassen, und wahrscheinlich so noch mehr, als wenn sie damals vor all den Jahren gestorben wäre. Der Tod wäre besser gewesen als das, was sie als Gefangene eines kranken Bastards wie Dragos hatte erdulden müssen.
    „Es tut mir so leid“, murmelte er, entschlossen, die Worte auszusprechen, auch wenn sie stumm den Kopf schüttelte und sich ihr Stirnrunzeln vertiefte. „Ich weiß, meine Entschuldigung bedeutet jetzt gar nichts mehr. Sie ändert überhaupt nichts für dich, Corinne … aber ich will, dass du weißt, dass seither kein Tag vergangen ist, an dem ich nicht an dich gedacht und mir gewünscht habe, dass ich da gewesen wäre. Ich hätte so gern mit dir getauscht, mein Leben für deines gegeben …“
    „Brock, nicht!“, sagte sie, ihre Stimme war jetzt kräftiger als zuvor. „Ist es das, was du gedacht hast? Dass ich dir die Schuld daran gegeben habe, was mit mir passiert ist?“
    Er starrte sie an, überrascht, dass er überhaupt keine Wut in ihren Augen sah. „Du hast alles Recht der Welt, mir die Schuld zu geben. Ich hätte dich beschützen müssen.“
    Ihre dunklen Augen wurden nun ein wenig traurig. „Aber das hast du doch. Egal wie unmöglich ich mich damals aufgeführt habe, du hast immer auf mich aufgepasst.“
    „Nicht in dieser letzten Nacht“, erinnerte er sie grimmig.
    „Ich weiß nicht, was damals passiert ist“,
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