Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0794 - Das Zauber-Zimmer

0794 - Das Zauber-Zimmer

Titel: 0794 - Das Zauber-Zimmer
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Dort trennten wir uns. Harry Stahl ging nach links und stieg die breite Treppe hoch. Ich blieb im Halbdunkel stehen und fand tatsächlich die verstaubte Tür. Es hatte hier auch Elektrizität gegeben, ein Beweis dafür waren die zahlreichen Lichtschalter und die verstaubten, über Putz liegenden Leitungen.
    Die Tür klemmte, als ich am Griff zerrte und versuchte, sie aufzuziehen. Ich hatte zuvor die kleine Scheibe gesäubert und festgestellt, dass die Kabine tatsächlich hier unten stand.
    Ein zweiter heftiger Ruck löste sie, die Kabine lag vor mir, und sie war leer.
    Keine Leiche lag in der Ecke, aber der Geruch, der mir entgegenströmte, erinnerte mich wieder an den des Toten. Es roch nach verfaultem Fleisch.
    Ich räusperte mir die Kehle frei und leuchtete in die Ecken der Kabine. Überall lag der Staub, keine Spuren, nichts war verwischt worden. Das Holz an den Innenwänden sah aus, als wollte es sich jeden Augenblick ablösen. Einige Splitter standen vor. Gewisse Stellen sahen schwarz aus, als wäre dort altes Blut verlaufen.
    Ich drückte die Tür wieder zu und wartete auf den Kommissar, der sehr bald zurückkehrte. Noch auf der Treppe hob er die Schultern, ein Zeichen, dass er nichts entdeckt hatte. »Nur Leere, John, eine verdammt bedrückende Leere.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Warum?«
    »Wer immer hier das Sagen hat, welche Kräfte hier auch hausen mögen, sie sind es, die Regie führen. Noch müssen wir nach ihrer Pfeife tanzen, doch ich hoffe, dass sich das ändern wird.«
    »Optimist.«.
    »Das muss ich sein, mein Lieber.« Ich war wieder in die große Halle zurückgegangen, wo die Leiche lag. »Fasst du mal mit an, Harry?«
    »Ungern.«
    »Kann ich mir denken.«
    Es machte wirklich keinen Spaß, den Toten nach draußen in die kalte Winterluft zu tragen. Der Ort lag unterhalb des Hotels. Die Häuser drängten sich in einer Talmulde zusammen. Sie hatten ebenso einen hellen Anstrich aus Schnee bekommen wie die Landschaft.
    Der düstere Himmel hatte sein weißes Totenhemd geschickt und ließ es nun durch die frostige Kälte an der Oberfläche gefrieren.
    Wir legten den Toten in den Kofferraum des Opel. Als Harry die Haube zuschlug, fragte er: »Wohin damit?«
    »Ins Dorf.«
    »Da gibt es keinen Polizisten.« Er schloss die Fahrertür auf und zog den Hebel an der Innenseite der Beifahrertür hoch.
    »Das weiß ich. Aber einen Leichenbestatter oder Einsarger wird es bestimmt geben.«
    »Klar, du hast Recht«, erwiderte er gepresst und hämmerte den Wagenschlag wuchtig zu.
    Wenig später starteten wir.
    ***
    Der Ort ›schlief‹!
    Bereits vor der Vereinigung hatte er zu jenen Dörfern gehört, die auch vom Sozialismus vergessen worden waren, denn in dieser Region gab es nichts, abgesehen von einer waldreichen Natur, die allerdings auch schon unter dem sauren Regen gelitten hatte, was wir in der fahlen Dunkelheit nicht sehen konnten. Aber Harry hatte darüber gelesen und es mir gesagt.
    Eine krumme Dorfstraße mit aufgerissenem Pflaster drückte sich wie ein Arm quer durch den Ort. Er war von den großen ›Segen‹ der Wessis zum Glück verschont geblieben, allerdings fehlte nicht der obligatorische Supermarkt auf der grünen Wiese. Glücklicherweise hatten einige kleinere Läden der Konkurrenz standgehalten.
    Die bittere Kälte hatte die Bewohner in ihre Häuser getrieben.
    Kleine Bauten, manchmal etwas schief, und verwitterte Fassaden, die einer behutsamen Renovierung bedurften, um das alte Flair zu erhalten.
    Es war viel Platz zwischen den Häusern. Wiesen und Felder, die von oft schiefen Lattenzäunen umgeben waren. Klobige Anbauten.
    Ställe und kleine Scheunen. Alte Trabbis, die dahingammelten und neueren Westautos Platz gemacht hatten.
    Das Scheinwerferlicht unseres Opels tanzte über das Straßenpflaster, und Harry, dem meine neugierigen Blicke nicht entgangen waren, sagte mit etwas traurig klingender Stimme: »Ja, es hat sich einiges verändert, und nicht nur der Ruck nach rechts.«
    »Ich sehe es schon.«
    »Du kannst ja auch vergleichen.«
    Ich hob die Schultern. »Weißt du, ich war schon einige Male hier in der ehemaligen DDR, und du hast Recht, es hat sich etwas verändert.«
    »Was denn?«
    »Die Atmosphäre. Sie ist weniger menschlich geworden. Irgendwo riecht es nach Kampf.«
    »Denkst du an die Glatzen?«
    »Nein, nicht direkt, denn das ist ein Thema für sich. Ich denke mehr an den Überlebenskampf jedes einzelnen Menschen. Komme ich der Wahrheit nahe?«
    »Das denke ich schon.« Stahl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher