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079 - Die Abenteuerin

079 - Die Abenteuerin

Titel: 079 - Die Abenteuerin
Autoren: Edgar Wallace
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Abschiednehmen. Er machte nicht den Versuch, ihre Hand zu fassen und ihr seine Liebe zu beteuern, wie es andere Männer wahrscheinlich gemacht haben würden. Aber als sie ging, sah er ihr nach, bis er sie nicht mehr erkennen konnte. Und das hatte er früher nie getan.
    In gehobener Stimmung kam Lucia in die Wohnung zurück. Mr. Thirtley hörte, daß sie im Bad sang, und grinste.
    Also weiter nichts als Weiberlaunen, sagte er zu sich selbst.
    Er kleidete sich stets festlich zum Abendessen an, selbst wenn er mit seiner Nichte allein speiste. Man konnte niemals wissen, ob nicht doch noch Besuch kommen würde, und es machte immer einen günstigen Eindruck.
    Mr. Thirtley sah, daß Lucias Augen leuchteten, und er hörte ihre Freude aus dem Klang ihrer Stimme.
    »In deinem ganzen Leben hast du noch nie so hübsch ausgesehen wie heute«, meinte er wohlwollend. »Glänzend, Lucia! Und du wirst doch heute abend sicher auch vernünftig sein?«
    Er klopfte ihr väterlich auf die Schulter.
    »Selbstverständlich bin ich vernünftig«, erwiderte sie etwas spöttisch und ahmte seine Stimme nach.
    Im selben Augenblick klingelte es an der Wohnungstür, und gleich darauf führte das Mädchen Mr. Andrew Murdoch herein. Lucia erkannte sofort, daß er ihr gegenüber nicht mehr so liebenswürdig und zuvorkommend war, sie hatte aber den Eindruck, daß er seine Erregung bezwang.
    Zunächst sprach er von dem Direktor seiner Gesellschaft in London, der sich zur Zeit in Paris aufhielt, wie sie wußten. Dann erzählte er ein wenig über sich, aber er wandte sich immer an John Thirtley und vernachlässigte Lucia fast vollständig.
    Nach dem Abendessen stellte der Hausherr den Kartentisch auf und legte zwei neue Spiele Karten auf das grüne Tuch.
    »Es ist zwar nicht sehr moralisch, aber ich habe das Gefühl, daß Sie Ihre Glückssträhne ausnützen wollen.«
    Die Bereitwilligkeit, die Mr. Murdoch zeigte, bestätigte Mr. Thirtley in seiner Annahme.
    Lucia lehnte am Eßtisch und schaute den jungen Mann fest an, aber er sah nicht zu ihr auf.
    »Setz dich doch hin«, sagte Thirtley schließlich gereizt. »Du fällst mir heute abend dauernd auf die Nerven.«
    Sie folgte seiner Aufforderung ohne ein weiteres Wort. Ihr Onkel war ein solcher Meister, daß es sich lohnte, ihm zuzuschauen. Kaum ein anderer Falschspieler konnte ein Spiel Karten derartig schnell nach einem vorherbestimmten Plan mischen wie er. Beim Mischen hielt er die Karten noch in der Hand, aber noch bevor er sie auf den Tisch legte, hatte er mit unvergleichlicher Geschicklichkeit ein anderes Spiel dafür untergeschoben. Selbst Lucia, die ihn seit Jahren beobachtete, hatte niemals erfahren, wie er das anstellte. Sie ahnte nicht, aus welchen Taschen oder sonstigen Verstecken er die anderen Karten herausholte.
    Als zwei Stunden vergangen waren, runzelte Mr. Murdoch die Stirn. Sein Verlust war größer und größer geworden. Die Uhr schlug halb elf, die Luft in dem Zimmer war dick von Zigarrenqualm. Mr. Thirtley ging zum Fenster, um es zu öffnen. Als er zurückkam, hatte sich sein Gast an den Eßtisch gesetzt und den Kopf in beide Hände gestützt.
    »Sie haben unheimliches Glück gehabt«, sagte er.
    Thirtley lächelte triumphierend, aber Murdoch sah es nicht.
    »Siebentausenddreihundert Pfund haben Sie verloren... Ich wünschte nur, ich hätte Sie nicht zum Spielen aufgefordert.«
    Murdoch tat plötzlich etwas Merkwürdiges. Er steckte die Hand in die Westentasche und nahm einen Schein heraus. Als er ihn entfaltete, sah Thirtley verwundert, daß es eine Tausendpfundnote war.
    »Können Sie mir herausgeben?« fragte der Gast. »Ich möchte Ihnen wenigstens fünfhundert Pfund anzahlen.«
    Der Hausherr zögerte. »Ich kann ihn wechseln, wenn Sie wollen. Aber das hat doch alles bis morgen Zeit.«
    Murdoch schüttelte ernst den Kopf. »Nein, ich will Ihnen eine Anzahlung machen.«
    Thirtley nahm den Schein und prüfte ihn mit Kennerblick. Tausendpfundnoten waren sehr selten, aber diese war echt.
    Er ging hinaus und schloß die Tür. Im nächsten Augenblick trat Lucia an die Seite des jungen Mannes, packte ihn an der Schulter und rüttelte ihn.
    »Sie werden doch nicht diese Spielschuld bezahlen wollen -«
    »Seien Sie ruhig!«
    Sie starrte Murdoch verblüfft an, als ob sie ihren Ohren nicht trauen könnte. Seine traurige, melancholische Haltung war vollkommen verschwunden, und seine Augen glühten gefährlich, so daß sie unwillkürlich vor ihm zurückschrak.
    »Sie bleiben, wo Sie sind. Und
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