Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0784 - Der Seelenangler

0784 - Der Seelenangler

Titel: 0784 - Der Seelenangler
Autoren: Earl Warren
Vom Netzwerk:
Blütenkelche bewegten sich, öffneten und schlossen ihre Blütenblätter, als ob sie sich telepathisch oder auf andere Weise miteinander unterhalten würden.
    ***
    Der Angler fühlte die Schockwellen im Hyperraum, die Zamorras und Nicoles Regenbogenreise erzeugte. Er hatte spezielle Sinnesorgane und Taster dafür. Teils mit Magie, teils mit einer unglaublich hoch entwickelten Technik nahm er wahr, dass sich etwas bewegte, ähnlich wie ein Hai im Ozean Blutstropfen oder Bewegungen meilenweit wahrnehmen kann.
    Bei der Unendlichkeit des Multiversums war die Ortung nur möglich, da der Angler wusste, wohin er sich konzentrieren musste. In dem Fall beging Zamorra einen Fehler.
    Er hätte den Angler täuschen können, wäre er mit Nicole auf Umwegen nach Moskau gesprungen, also via einer anderen Dimension, Koboldwelt zum Beispiel, und dann nach Moskau. In dem Fall hätte er einen Überraschungseffekt und einen bedeutenden Vorteil gehabt.
    Doch auch der Meister des Übersinnlichen beging Fehler und war nicht perfekt. Er lief oder sprang direkt in die Falle.
    ***
    Der stillgelegte U-Bahnschacht, in dem Zamorra und Nicole landeten, befand sich im Zentrum der russischen Hauptstadt, nahe dem Kaufhaus Gum mit seinen tempelartigen, säulengeschmückten Verkaufshallen und dem Kreml mit dem Regierungssitz und seinen Sehenswürdigkeiten. Direkt unter dem Krastnaja Ploschtschad - dem Roten Platz, nicht sehr weit vom Dschersinksi-Platz mit dem leeren Säulensockel vom Denkmal des Gründers des KGB und dem berüchtigten Lubljanka-Gebäude kamen sie heraus.
    Zamorra und Nicole waren sozusagen in die Vollen gesprungen. Die Regenbogenreise war zeitlos. Es war einigermaßen hell. Die Regenbogenblumen raschelten und wisperten. Von irgendwo, durch Bodenritzen, sickerte spärliches Licht herein.
    Die Regenbogenblumen fingen es auf, vervielfachten es und erzeugten so selber das Licht, das sie für ihre Fotosynthese brauchten. Die Blütenkelche bewegten sich.
    »Gut angekommen«, sagte Zamorra zufrieden.
    Im nächsten Moment, unvermittelt, traf ihn der Schock. Sein Amulett hatte nicht reagiert, die Gründe dafür waren unerfindlich. Er sah Nicole. Dann senkte es sich wie eine Schattenwand zwischen ihn und sie.
    Zamorra stand wie gelähmt. Er sah Nicole wieder, doch eine andere, veränderte Nicole - sozusagen eine hochstilisierte und idealisierte Projektion von ihr. Sie war noch schöner, wenn das überhaupt möglich war, noch verlockender.
    Ein hauchdünnes Modellkleid zeigte mehr von ihrem Körper, als es verbarg. Zamorra empfand all die Liebe, die sie ihm entgegenbrachte. Nicole, wie er sie sah, wirkte ungeheuer verführerisch.
    Er konnte ihr nicht widerstehen. Sein Verstand war ausgeschaltet. Der Meister des Übersinnlichen war vollkommen geblendet.
    Nicole - oder vielmehr die Projektion des Anglers - winkte ihm zu.
    »Schließe mich in die Arme, Geliebter. Küss mich.«
    Zamorra ließ seinen Einsatzkoffer fallen. Achtlos streifte er sein Amulett ab, ohne es zu merken.
    Nicole Duval - die echte Nicole - begriff zuerst nicht, was geschah. Sie sah, wie Zamorra von ihr wegging, in die andere Richtung, zwischen die Regenbogenblumen, die ihn überragten.
    »Cherie«, flüsterte er dabei.
    »Ich bin hier«, rief Nicole.
    Zamorra hörte es nicht, beachtete sie nicht. Da begriff Nicole, dass eine ungeheure Gefahr drohte. Sie erfasste blitzschnell, welche, als Zamorra die Arme ausbreitete und mit verzücktem Gesicht etwas, das sie nicht sehen konnte, in die Arme sank.
    Nicole katapultierte sich mit einem wahren Tigersprung vor. Sie stieß gegen Zamorras Rücken und wurde von einer mächtigen magischen Entladung zurückgeschleudert. Benommen sank sie zwischen die Regenbogenblumen.
    Für einen Moment jedoch hatte sie eine grauenvolle Fratze gesehen, die sich vor Zamorra zeigte. Ein langes, grässliches, graues Gesicht mit glühenden Augen, darunter Krallen, Eckzähne wie die eines Walrosses in einem großen Maul.
    Sah der Angler so aus?
    Zamorra spürte Nicoles Berührung nicht. Er umarmte das Abbild von ihr, das er sah. Und spürte im nächsten Moment einen furchtbaren Schmerz, der ihn innerlich schier zerriss. Jäh kehrte er in die Realität zurück.
    Statt der Super-Nicole, die er zuvor wahrgenommen hatte, war da eine hagere, stinkende Gestalt mit leeren, beutelartigen Brüsten, einem klaffenden, geifernden Maul und langen Eckzähnen. Krallenhände fassten nach Zamorra.
    Er wehrte sich. Doch es hätte ihn weggerissen, die Magie des Anglers war zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher