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0772 - Das Gericht der Toten

0772 - Das Gericht der Toten

Titel: 0772 - Das Gericht der Toten
Autoren: Jason Dark
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treten. Er brauchte nur die letzten Schritte zu gehen, sich zu drehen und dann auf dem ihm weich vorkommenden Sitzkissen Platz zu nehmen. Das war alles.
    So leicht…
    Seine Bewegungen waren trotzdem schwerfällig. Die Sohlen schleiften über den glatten Boden. Stankowski bewegte schnüffelnd seine Nasenlöcher. Er saugte einen bestimmten Geruch ein, den er erst jetzt wahrnahm. Diesen Geruch kannte er nicht. Doch, er kannte ihn, er war ihm trotzdem fremd, weil er nicht so oft damit konfrontiert wurde.
    Roch die Umgebung eines alten Friedhofs so, eines modrigen Platzes, einer Abfallhalde?
    Der Geruch des Todes umkreiste ihn. Und es gab keinen Zweifel, dass er seinen Ursprung in dem Gegenstand hatte, der zum Greifen nahe vor ihm stand.
    Lemmy Stankowski wollte die Theorie in die Praxis umsetzen. Er schluckte den bitteren Speichel hinunter. Wie in einer Sauna kam er sich vor. Die Umgebung war einfach dumpf, die Luft hatte an Schwere zugenommen. Wenn er sie einatmete, füllte sie seinen Mund wie ein träger Stoff aus.
    Mit beiden Händen fasste er nach der Lehne. Er legte sie um die abgerundeten Enden und hatte eigentlich damit gerechnet, brüchiges Knochenwerk zu erleben. Deshalb wunderte er sich schon, wie hart das Gebein war.
    Der Drang in seinem Innern nahm zu. Lemmy erreichten ungewöhnliche Befehle. Er hatte den anderen Kräften gegenüber sein Hirn geöffnet, damit diese freie Bahn bekamen und den Kontakt verstärkten.
    Da wollte jemand etwas von ihm. Einer, den er nicht kannte. Ein Etwas, kein Mensch, war es etwa der Stuhl, der diese Gedanken ausschickte?
    Lemmy konzentrierte sich auf den Schädel. In den dunklen, leeren Augenhöhlen hatte sich im Prinzip nichts verändert. Sie waren noch immer düster, aber tief in ihnen lebte etwas. Lemmy sah es nicht, es war einfach schwarz, aber er empfand es als bedrückend. Es war eine ungeheure Kraft, die dort schwebte und sich eingenistet hatte.
    Eine Macht, die er sich nicht erklären konnte. Sie war da, sie war schon immer da gewesen, sie entstammte einer anderen Zeit.
    Plötzlich wusste er Bescheid. Die Kraft war stärker als ein Mensch.
    Setzen! Es war ein Befehl. Ein Wort nur. Die zwei Silben jedoch durchdrangen sein Hirn wie scharfe Lanzenstiche. Lemmy wusste sofort, dass er diesem Befehl nicht entgehen konnte. Er war nicht mehr derjenige, der die Akzente setzte. Dafür sorgten andere, der Sessel zum Beispiel.
    Gleichzeitig fragte sich Lemmy, wie so etwas überhaupt möglich war. Wie konnte ein Gegenstand Macht über einen Menschen erlangen? Als seine Gedanken so weit gediehen waren, da saß er bereits auf dem Knochen-Sessel. Das weiche Kissen gab ihm für einen Moment das Gefühl, in die Tiefe zu schweben. Lemmy war etwas durcheinander. Leichte Kopfschmerzen erreichten ihn.
    Weich und sicher…
    Er blieb sitzen. Aber er erlebte die Welt nicht mehr so, wie er sie kannte. Sie war plötzlich anders geworden. Der sitzende Lemmy hatte den Eindruck, als würden sich die Wände von ihm entfernen.
    Dabei schienen sie lautlos auf Schienen wegzugleiten, sodass zwei Dinge immer mehr in den Mittelpunkt traten.
    Der Sessel und er!
    Lemmy schluckte. Noch immer schmeckte der Speichel bitter. Hinter den Augen spürte er einen gewissen Druck.
    Lemmy blieb still sitzen. Er hob nur seine Arme leicht an und legte sie auf die Lehnen. Erst als er diese Haltung eingenommen hatte, lehnte er sich zurück.
    Der erste Kontakt mit den Knochen ließ ihn zusammenzucken. Für einen Moment befürchtete er, das Gerippe könnte unter dem Druck zusammenbrechen, doch das geschah nicht.
    Vieles schoss durch seinen Kopf. Das meiste, so gestand er sich selbst ein, war Unsinn.
    Nur ein Gedanke kam ihm nicht. Niemand gab ihm den Rat, sich zu erheben. Auch sein Inneres nicht. Keine Stimme meldete sich warnend, der gesamte Sessel hatte ihn für sich eingenommen, und er fühlte sich bereits mit ihm verwachsen.
    Er und der Knochen-Sessel waren so etwas wie ein Team geworden. Lemmy lauschte in sich hinein, ob er sich dabei wohl fühlte.
    Negative Gefühle konnte er jedenfalls nicht feststellen, nur so etwas wie Neugierde und das Warten auf eine neue Überraschung.
    Sie kam bestimmt…
    Er atmete tief durch. Die Luft war noch okay. Vielleicht roch sie ein wenig anders. Das konnte auch an seinem eigenen Schweiß liegen.
    Der Druck in seinem Kopf nahm zu. Hinter den Schläfen pochte es, als wollte es ihm eine Warnung vermitteln.
    Lemmy hielt die Augen weit geöffnet. Es kam ihm gar nicht mehr in den Sinn, dass er
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