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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick
Autoren: Jason Dark
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veränderten sich. Um die blauen Pupillen herum zeigten sie plötzlich ein sehr helles, kaltes und gleichzeitig strahlendes Weiß, so daß die alte Stromerin Furcht bekam. Sie duckte sich, als hätte sie jemand geschlagen. Sie spürte die andere Kraft, die gegen und in sie hineindrang. Ihr schwindelte, und sie sah mit einemmal die zweite Gestalt, die bisher hinter der Vorderseite des Gepäckwagens gelauert hatte. Lautlos verließ sie ihren Platz und stellte sich hinter dem Jungen auf wie eine Wächterin.
    Cornelia hatte die Frau noch nie zuvor gesehen, aber sie fürchtete sich plötzlich.
    Sie war groß, wirkte alterslos, ihr Haar war zusammengebunden. Sie wirkte in dieser Haltung sehr männlich, und von ihr strahlte der Hauch des Todes ab.
    Cornelia hob die Hand. Sie spreizte die Finger, als müßte sie die Person abwehren. »Wer… Wer bist du…?«
    »Ich begleite ihn.«
    »Du bist eine Teufelin!«
    »Hör auf zu schreien!«
    Cornelia hörte nicht auf. »Du bist eine Teufelin. Das merke ich sehr deutlich. Du bist eine Person, in deren Zentrum das Böse steckt. Du… du… bist…« Sie verstummte, und gleichzeitig veränderte sich ihre Haltung. Zuerst streckte sie sich, stellte sich dabei auf die Zehenspitzen und kippte dann zur Seite, wobei sie einen Arm ausstreckte, um sich am Gepäckwagen festzuhalten.
    In dieser Haltung blieb sie stehen. Nichts hatte sich bei dem Jungen und der Frau verändert. Sie standen noch da wie zuvor und schauten die Stromerin an.
    Cornelias Herz schlug härter.
    Dann schneller…
    Es waren Bewegungen, die sie kannte. Sie hatte es hin und wieder am Herzen, es aber nie so stark gespürt wie in diesem Augenblick. Die einzelnen Schläge erinnerten sie an schwere Hämmer, die gegen ihr Innerstes krachten.
    Und jeder Schlag wurde von einem Stich begleitet, als hätte ihr jemand eine lange Nadel durch den Körper gestoßen. Sie hörte den Jungen sprechen. Seine Stimme drang wie gefiltert an ihre Ohren.
    »Was ist mit der Frau, Dagmar?«
    Dagmar strich mit einer Hand über das dunkle Haar des Jungen. »Ihr Herz, Elohim, sie hat ein schwaches Herz…«
    »Und weiter?«
    »Sie wird sterben.«
    »Jetzt und hier?«
    »Wahrscheinlich…«
    Cornelia hatte die Worte gehört und wollte sie nicht wahrhaben. Weit öffnete sie ihre Augen und versuchte, gegen diesen irren Druck anzukämpfen, was ihr nur nicht gelang. Die anderen Kräfte in ihr waren stärker. Ihr Herz schlug noch, aber der Rhythmus hatte sich verändert. Er war holprig geworden und nicht mehr zu kalkulieren. Nie hätte Cornelia gedacht, daß sie einen Infarkt so intensiv erleben würde. Das war doch normalerweise nicht möglich, bei ihr schien es so zu sein, daß sie sich noch auf jeden Schlag konzentrieren mußte, weil es ihr eine fremde, andere und für sie nicht begreifbare Kraft befahl.
    Ihr wurde übel.
    Vom Magen her zog der Druck hoch. Er stemmte sich in ihre Kehle, und Cornelia hatte den Willen, sich zu übergeben, was sie allerdings nicht schaffte.
    Es war grauenhaft. Sie merkte, daß sie schwerer wurde. Die Beine hielten ihr Gewicht nicht. Ein nahezu teuflischer Schmerz raste durch ihre Brust und sorgte dafür, daß sich alles in ihr zusammenzog, so daß ihr Herz nicht mehr schlagen konnte.
    Mit dem Schmerz kam der Luftmangel.
    Sie röchelte wie ein Tier. Die Beine gaben ihr nach. Kraft rann aus ihrer rechten Hand, mit der sie sich bisher noch am Wagen festgehalten hatte.
    Dann sackte sie zusammen.
    Schaum stand plötzlich vor ihrem Mund. Während des Falls würgte sie die Zunge hervor, die auch zwischen ihren Zähnen hängenblieb, als hätte man sie dort festgeklebt.
    Die alte Frau mit dem Zweiten Gesicht fiel auf den Bauch. Kurz vor dem Aufprall schlug sie noch mit dem Kopf gegen den Rand des Gepäckwagens.
    Regungslos blieb sie liegen.
    »Ist sie tot?« fragte der Junge.
    »Moment.« Dagmar bückte sich. Innerhalb von Sekunden hatte sie die Stromerin untersucht. »Ja, sie ist tot, mein Lieber.«
    Elohim nickte nur…
    ***
    In den nächsten dreißig Sekunden geschah nichts. Beide so unterschiedliche Personen standen da und schauten auf den starren Körper. »Ihr Herz war eben zu schwach«, sagte Dagmar.
    »Stimmt.«
    »Hast du Angst?« Sie umfaßte ihren Schützling, drückte ihn an sich und spürte, wie er unter seinem Mantel zitterte.
    »Sie hat mich erkannt.«
    »Nein, mein Kleiner, nein, sie hat dich nicht erkannt. Sie glaubte, dich erkannt zu haben.«
    »Ist das denn ein Unterschied?«
    »Ein großer sogar.«
    »War sie
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