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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick
Autoren: Jason Dark
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seinem Gesicht erkennen und prägte sich dessen Mimik genau ein.
    War es ein harmloses Gesicht?
    Es sah so aus. Aber das Böse hatte es schon immer verstanden, sich hinter gewissen Masken zu verstecken, und dies hier war eine solche Maske, davon ging Cornelia aus.
    Die Haut des Jungen wirkte dunkel, weil der Schatten des Wagens auf sein Gesicht fiel. Das Haar hing leicht in die Stirn, dunkle Augen lagen in den Höhlen. Ein weicher Mund und eine kleine, etwas nach oben gebogene Nase gaben dem Gesicht einen mädchenhaften Touch. In der Tat hätte dieser Junge auch ein Mädchen sein können, wofür auch die feingliedrigen Hände mit den langen Fingern standen, die er übereinander und vor seine Brust gelegt hatte.
    Der Anblick des Jungen flößte keine Furcht ein. Wer ihn anschaute, mußte ihn für einen sehr lieben Kerl halten, aber Furcht würde niemand vor ihm bekommen. Er vermittelte sogar den Eindruck, vor allem beschützt zu werden.
    Cornelia grinste hart. Wie sehr man sich doch täuschen konnte, denn sie wußte es besser. In dieser Gestalt steckte etwas anderes. Da hatte sich das Böse konzentriert, und es lenkte durch die äußere Maske nur ab. Da der Junge nicht sprach, mußte sie es übernehmen, und Cornelia hatte sich auch einige Sätze zurechtgelegt.
    »Ich habe gespürt, daß du hier bist. Ich habe dich gesucht, und ich habe dich auch gefunden. Du kannst dich nicht verstecken. Wer einmal den Keim in sich hat, der wird ihn nie wieder los. In dir steckt der Keim, das weiß ich genau.«
    Der Junge lächelte.
    Es war nicht einmal verbissen, sondern leicht und locker, als hätte er eine Freundin begrüßt. Dabei beließ er es auch, denn eine akustische Antwort bekam die Frau nicht.
    »Ich wußte, daß du schweigen wirst«, sagte sie. »Ja, ich habe es gewußt, doch ich bin nicht gekommen, um aufzugeben. Ich werde dich weiter fragen, denn ich will wissen, was du vorhast und wer du bist? Wo kommst du her? Wer hat dich geschickt? Du mußt etwas Besonderes sein. Ich habe deine Aura gespürt, aber ich weiß nicht genau, was du vorhast. In wessen Auftrag bist du unterwegs?«
    Der Junge hob die Schultern.
    Cornelia lachte. Daß auf dem Nebengleis ein Zug einfuhr, bekam sie nicht mit. Sie hatte nur Augen für den Jungen, der sich bisher nicht bewegt hatte. Er schaute sie nur aus tiefen, unergründlichen Augen an, als wollte er durch den Blick ihre Seele sezieren.
    »Hast du einen Namen?«
    Nicken.
    »Wie heißt du?« Die alte Frau freute sich, daß sie überhaupt eine Reaktion erhalten hatte.
    »Elohim…«
    Cornelia traf beinahe der Schlag. Sie breitete die Arme aus und spreizte die Hände. Elohim - so also hieß er. Es war ein hebräischer Name und bedeutete soviel wie Gott oder Götter. Aber das konnte nicht sein. Dieser Junge war kein Gott - oder war er ein Götze?
    Kälte kroch in ihren Körper. Es war ein Rieseln, als würde ihr Blut allmählich erkalten und sich dabei mit zahlreichen kleinen Eiskörnern füllen.
    Sie wiederholte den Namen.
    Der Junge lächelte. »Kennst du mich?«
    »Nein…«
    »Oder haben dich die anderen geschickt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Welche anderen?«
    »War nur eine Frage.«
    »Gib mir die Antwort.«
    »Nie!«
    Sie wußte nicht mehr weiter. Sie war irritiert. Sollte sie sich in dem Jungen getäuscht haben? Stand er nicht auf der Seite der Dämonen? Zweifel strahlten in ihr hoch, und sie schaute ihn sich sehr genau an. Auch jetzt noch spürte sie die Aura, die von ihm abstrahlte, die sie nicht erfassen konnte, aber sie merkte auch die geistige Blockade, die der Junge aufgebaut hatte. Er wollte sich nicht fangen lassen, er wollte sein Geheimnis für sich behalten.
    »Du fährst weg, nicht?«
    »Ich warte auf den Zug.«
    »Wo willst du hin?«
    »In ein anderes Land.«
    »Ist es die Schweiz?« Cornelia wußte ja, wo der Zug hinfuhr.
    »Kann sein.«
    »Was willst du dort?«
    »Du solltest jetzt gehen, alte Frau. Es ist nicht gut, wenn du zu lange in meiner Nähe bleibst. Ich will es nicht, verstehst du das? Tu mir den Gefallen und geh jetzt. Laß die Dinge ruhen. Rühre sie nicht an, falls dir dein Leben etwas wert ist.«
    Cornelia atmete tief durch. »Das hörte sich an wie eine Drohung. Wolltest du mir drohen?«
    »Nur warnen.«
    »Das hast du getan, Kleiner. Aber ich lasse mich nicht herumkommandieren. Du bist etwas anderes, du bist auch eine Gefahr. Ich werde dich mitnehmen und…«
    »Du wirst nichts!«
    Er hatte nur diese drei Worte gesagt und sie dabei angeschaut. Seine Augen
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