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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick
Autoren: Jason Dark
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Jedenfalls ist es urböse, wenn ihr versteht.«
    »Nein, verstehen wir nicht.«
    »Das ist schlecht.«
    »Aber du hast ihn gesehen?«
    Cornelia schüttelte den Kopf. »Nicht gesehen, nur gespürt. Er ist hier im Bahnhof. Er ist gekommen.«
    »Wer denn?«
    Sie holte tief Luft. »Der Unheilbringer. Ein schreckliches Wesen, eingepackt in, die Schutzhülle eines Menschen. Seine Magie ist wahnsinnig stark, sie hat mich sogar berührt, ich komme von ihr nicht weg. Ich spüre es mit jeder Faser meines Körpers.«
    »Das hast du uns schon öfter gesagt.«
    »Stimmt. Aber nie war es so schlimm. Ihr müßt etwas dagegen tun.« Sie zitterte am gesamten Leib, faßte einen der Polizisten an und schüttelte ihn.
    »Kannst du ihn nicht beschreiben?«
    »Nein, nein, ich habe ihn noch nicht gefunden. Ich werde aber weitersuchen.«
    »Tu das, Cornelia.«
    »Und ihr solltet dabeisein. Es ist besser für euch, ihr müßt es einfach.«
    »Nun mal langsam, Cornelia. Wir haben unsere Jobs, das weißt du. Und du weißt auch, daß wir erst eingreifen können, wenn irgend etwas passiert ist. Dann aber kannst du dich auf uns verlassen, das weißt du sehr genau.«
    »Dann wird es zu spät sein.« Ihre Stimme klang traurig, und sie hatte den Kopf gesenkt.
    »Bisher hat alles geklappt. Du kannst ja in einer Stunde noch mal mit uns sprechen.«
    »Schon gut.« Sie wußte, daß es keinen Sinn hatte, hob die Schultern und drückte sich an den beiden Männern vorbei, die ihr amüsiert nachschauten und dann, als sie außer Hörweite war, über sie sprachen.
    »So schlimm ist es mit ihr noch nie gewesen.«
    »Richtig.«
    »Glaubst du ihr denn?«
    »Nein, sie tut mir nur leid. Ja, sie tut mir leid. Sie ist ein armes Geschöpf, das auch schon bessere Zeiten erlebt hat. Jetzt hängt sie hier, ist gestrandet, träumt vielleicht von den alten Zeiten, die längst vorbei sind.«
    »Manchmal könnte man reinschlagen. Dabei war sie mal wer.«
    Der andere Kollege nickte. »Eine Künstlerin, eine Wahrsagerin, jemand mit dem Zweiten Gesicht. Ich habe mal alte Fotos von ihr gesehen. Da war sie wirklich gut.«
    »Was soll's? Die Zeiten sind vorbei.« Der Sprecher drehte sich noch mal um. Er schaute in den breiten Gang hinein und sah auch die alte Frau, wie sie ihren Weg fortsetzte. Sie machte den Eindruck, als wollte sie auf einen Bahnsteig gehen.
    In der Tat spürte Cornelia den Drang. Sie hatte ihre Schritte nicht bewußt in diese- neue Richtung gelenkt, sondern sich kurzerhand treiben lassen. Irgendwo mußte es ein Ziel geben, irgendwo konzentrierte sich die Gefahr.
    Die Bahnhofshalle war von ihr bereits durchquert worden. Wo hielt sie sich jetzt versteckt?
    Cornelia ging an der linken Seite vorbei. Sie schaute in die hell erleuchteten Auslagen eines kleinen Delikatessengeschäfts, sie passierte die Würstchenbude, wo einige Menschen ihren Hunger stillten, und spürte dabei, daß sich der Tod nicht unter die Hungrigen gemacht hatte. Er mußte woanders sein.
    An jedem Aufgang blieb sie stehen. Schaute die Stufen der Treppe hoch und konnte so auf den Bahnsteig schauen, wo sie zumeist das helle Rund der Normaluhr entdeckte, das von oben her wie ein blasses Auge auf sie niederschien.
    Jemand sprach sie an, wollte Feuer haben. Ein »Kollege«. Sie gab ihm eine Schachtel Zündhölzer.
    Er bedankte sich und ging. Cornelia ging auch. Ihren Plan hatte sie nicht vergessen. Irgendwo würde sie den Tod finden, aber sie wußte nicht einmal, in welch einer Gestalt er sich ihr zeigte. Es gab viel Möglichkeiten für ihn, sich zu verstecken und zu tarnen, die andere Welt kannte alle Tricks.
    Cornelia blieb an der linken Seite und bewegte sich nahe an der Wand entlang. Wieder schaute sie auf die Tafel, wo die Abfahrtszeiten der Züge abgedruckt waren. Die kannte sie beinahe auswendig.
    Deshalb wußte sie auch, daß um Mitternacht herum ein Schlafwagenzug in die Schweiz fuhr.
    Kurswagen brachten die Reisenden in die entsprechenden Feriengebiete. Kurz bevor die Frau über die Rolltreppe zu »ihrem« Bahnsteig hochfuhr, krümmte sie sich plötzlich. Sie riß den Mund auf und röchelte. Vor ihren Augen tanzten die Stufen, kalt rieselte es ihren Nacken hinab, und sie spürte das andere und Fremde wie einen Sturm, der die Treppe hinabwehte.
    Die alte Frau taumelte zur Seite, sie mußte sich einfach anlehnen und Ruhe finden.
    Tief atmete sie ein und aus. Dieser plötzliche Ansturm der Gefahr hatte ihre letzten Zweifel beseitigt. Das Grauen befand sich auf dem Bahnsteig. Sie brauchte nur
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