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074 - Echse des Grauens

074 - Echse des Grauens

Titel: 074 - Echse des Grauens
Autoren: Larry Brent
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ebenmäßiges Gesicht
mit den ausdrucksstarken Augen einen spitzbübischen Ausdruck erhielt.
    Um acht Uhr abends warf sie zum ersten Mal einen Blick
in Oliver Gadocks Zimmer. Der Kranke schlief – atmete schnell und flach. Das
Fieber war sehr hoch. Agatha betupfte sein Stirn und Lippen.
    Eine Stunde später, als Agatha Stancer das
Krankenzimmer erneut betrat, verhielt sich Gadock unruhig.
    Er saß in seinem Bett und schien nicht zu wissen, wo
er sich befand. Unverständliche Laute drangen über seine spröden Lippen. Sein
kleines Gesicht war voller Runzeln und sah aus wie eine ausgetrocknete
Kartoffel.
    Die Haare auf seinem Schädel waren dünn und farblos.
    »Wo… die Stadt… bin ich in der Stadt? Wieso… das Licht…?«
    »Mister Gadock!« Agatha eilte auf den Kranken zu, der
Anstalten machte, mit schwachen Bewegungen die Decke wegzudrücken. »Sie müssen
im Bett bleiben, Mister Gadock!« Sie zupfte die Decke zurecht und drückte den
Mann mit sanfter Gewalt nach hinten und brauchte dazu kaum Kraft. Gadock setzte
so gut wie keinen Widerstand entgegen. Sein runzliges Gesicht zuckte. »Bett
bleiben?« Er zog die beiden Worte wie ein Kaugummi.
    »Ja, Mister Gadock.«
    »Aber… die Stadt.«
    »Nein, Sie sind im Hospital, Mister Gadock. Sie sind
krank.«
    »Krank?«
    Es war erstaunlich, daß er auf ihre Worte ansprach.
Das, was er über seine Lippen brachte, war nur ein Hauch, aber mit einiger
Anstrengung konnte man verstehen, was er sagte.
    »Sie haben Fieber und brauchen Ruhe, absolute Ruhe!«
    Er wollte nicken, aber es fehlte ihm die Kraft. Seine
Finger zuckten. Es war, als wolle er die Hand heben. Das war noch schwieriger
für ihn. Agatha griff nach den ausgetrockneten heißen Händen und hielt sie
fest.
    »Ruhe, ja…«, stieß er hervor. Seine Augen waren starr
auf einen Punkt gerichtet. »Liverpool?« Klar und deutlich kam dieses eine Wort.
Er mußte gerade einen lichten Moment haben.
    Agatha Stancer bestätigte es ihm.
    »Hat sich… Tanaka… schon gemeldet?«
    »Tanaka?«
    »Ein Freund… aus Tokio. Ich habe ihm ein Telegramm
geschickt. Wie lange… schon… hier?«
    »Seit heute abend. Man hat Sie erst eingeliefert.«
    »Er wird noch kommen, lassen Sie ihn zu mir,
Schwester!« Er brachte den Satz zustande, ohne auch nur einmal zu stocken.
Seine Stirn war in qualvolle Falten gelegt, als dächte er konzentriert über
viele Dinge nach, als wolle er nur das wichtigste davon aussprechen.
    »Mein Seesack… wo sind…« Er schluckte und sagte noch
mehr, aber seine Stimme war zu schwach, als daß man ihn verstand.
    Der Seesack stand im Spind. Das persönliche Eigentum
ließ sich bequem in ihm unterbringen. Außer zwei Hemden und Hosen besaß Gadock
nichts. Nur noch einen kleinen Essenbehälter aus Aluminium und eine alte,
abgeschabte Brieftasche aus Schweinsleder, die so brüchig war, daß man befürchten konnte, sie zerfalle in
ihre Einzelteile, wenn man sie das nächste Mal in die Hand nahm. In der
Brieftasche befanden sich alte Fotografien, die zum Teil so vergilbt waren, daß
man kaum noch erkennen konnte, wen sie zeigten.
    Und noch etwas befand sich in dem armseligen Gepäck:
Ein kleiner Taschenkalender, wie er als Jahresgabe oft von Banken, Sparkassen und
Betrieben an Mitarbeiter und Geschäftsfreunde verschenkt wurde.
    Er stammte aus dem Jahr 1948!
    Das alles hatte Agatha Stancers Vorgängerin im Dienst
auf der Suche nach Ausweispapieren auf eventuellen Anschriften von Angehörigen
und Verwandten festgestellt.
    Aber Oliver Gadock hatte keinen Anhang. Zumindest gab
es keine Hinweise dafür. Auch auf der Madox war nichts bekannt.
    »Was ist mit Ihrem Seesack, Mister Gadock?«
    »Ich mach’s nicht mehr lange… es liegt etwas darin…
bitte holen!«
    »Was soll ich Ihnen holen?«
    Es war zuviel für ihn gewesen. Er schloß die Augen
wieder. Seine Stirn war mit kaltem Schweiß bedeckt.
    »Tanaka wollte kommen«, fing er wieder mit dem Japaner
an, als wäre das andere, wovon er eben noch gesprochen hatte, nicht mehr so
wichtig. »Die Stadt… er muß in die Stadt… die Stadt aus einer anderen Welt… es
gibt sie wirklich. Dämonen haben sie erbaut… haben darin gehaust… und haben
ihre Gottheit verehrt… einen wahnsinnigen Gott, einen Teufel… in der Vergessenen
Stadt… in der Antarktis… von ewigem Eis bedeckt.«
    Wieder herrschte Stille. Gadock atmete schwer, sprach
im Fieber und phantasierte.
    »Die Vergessene Stadt… nichts anderes als eine
Krypta der Toten… tausend Augen beobachten ständig…
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