Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0736 - Jäger der Nacht

0736 - Jäger der Nacht

Titel: 0736 - Jäger der Nacht
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
den Rücken zugewandt. Auf der Stelle drehte er sich scharf um, ging zu ihr und schaute auf die Sitzende nieder. Dabei stemmte er seine Hände auf die Rückenlehne. »Dieser Suko hat ebenfalls einen großen Vogel gesehen, jedoch keinen Adler.«
    »Sondern?«
    Westlake spitzte die Lippen, bevor er die Antwort gab. »Also eine Fledermaus. Also eine riesige Fledermaus, Susan. Hast du gehört? Hast du es verstanden?«
    Sie schwieg. Aber nicht, weil sie nichts sagen wollte, sie wußte nur nicht, wie sie sich verhalten sollte. Lachen konnte sie nicht, das wäre ihr auch im Hals steckengeblieben.
    Westlake nickte ihr zu und wiederholte flüsternd: »Du hast schon richtig gehört. Er hat diesen Vogel als eine abstruse und abnorme Fledermaus identifiziert, und ich glaube ihm, Susan. Der Mann hat sich nicht geirrt.«
    Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Mit der Zunge fuhr sie über ihre Lippen. Dann flüsterte sie: »Aber… aber das ist ja noch schlimmer, verdammt.«
    »Ist es auch.«
    »Fledermäuse in London!« Sie raufte ihr Haar. »Scheiße, ich werd’ nicht mehr. Nein, das packe ich nicht. Einen Adler, der sich verflogen hat, den hätte ich mir noch gefallen lassen, aber eine Fledermaus, dazu noch riesig, da komme ich nicht mit.«
    Westlake stemmte sich ab und drehte sich um. Sein Blick war auf das Telefon gerichtet. Er hatte sich die Nummern der beiden Yard-Beamten aufgeschrieben.
    Kaum hielt er den Hörer in der Hand, als Susan einen Einwand versuchte. »Willst du wirklich anrufen, und hast du nicht Angst davor, dich lächerlich zu machen?«
    »Nein, meine Liebe, das habe ich nicht. Ich weiß genau, was ich tue. Ich weiß, daß sich da einiges zusammenbraut, und von dieser Meinung kannst auch du mich nicht abbringen!« Sie hob nur die Schultern…
    ***
    Wieder allein, wieder diese quälende, grausame Angst, die sie wie seelische Nadelstiche peinigte.
    May Feldman konnte es drehen und wenden, sie kam zu keinem Resultat. Es war einfach furchtbar, nicht fassbar für sie. Das Grauen war wie ein Stück Seife, das sie nicht festhalten konnte, so daß es ihr immer wieder durch die Finger glitt. Sie hatte jetzt mit Hugo Westlake telefoniert, und das hatte ihr gutgetan. Er war zwar skeptisch gewesen, aber er hatte sie wenigstens nicht ausgelacht.
    Die beiden verband ein gemeinsames Schicksal. Sie hatten Schreckliches hinter sich, aber der Schrecken war noch nicht vorbei.
    May schaute sich im Zimmer um.
    Eigentlich hätte sie ein Gegengewicht zu ihrer Angst finden müssen. Sie wußte auch schon, welches. Gegen Angst, gegen die normale und auch gegen die seelische Dunkelheit half Licht. Ihr fiel auf, daß eigentlich zu wenige Lampen Licht verstreuten. Im Raum war es aus Prinzip viel zu dunkel.
    Sie hätte jetzt hingehen und noch andere Lampen einschalten können. May tat es nicht. Wenn es in ihrem Zimmer zu hell war, hätte sie nicht so nach draußen schauen können, wie sie es sich gedacht hatte. Dann wäre die Scheibe mehr zu einem Spiegel geworden und nicht zu einem Fenster mit Blick in die Finsternis.
    Also ließ sie es bleiben…
    Das Licht warf warme Schleier auf bestimmte Stellen, sparte das Fenster dabei aus, so daß es May gelang, nach draußen zu schauen.
    Nichts hatte sich verändert.
    Vielleicht waren die Lichter unten in den Straßen weniger geworden, denn um diese Jahreszeit schlief der Verkehr meist ein. Da waren die Menschen froh, nicht nach draußen zu müssen.
    Sie wohnte sehr hoch. Eigentlich zu hoch für eine schnelle Flucht.
    Wenn sie aus der Wohnung mußte, konnte sie nur den Lift oder die Nottreppe nehmen.
    Furchtbar…
    Sie trat wieder von der Scheibe zurück und schaute auf die Uhr.
    May war klar, daß Westlake etwas unternehmen würde. Er hatte von zwei Männern gesprochen, die ihr helfen sollten. Zuerst war sie skeptisch gewesen, nun hatte sie sich gedreht. Sie hoffte, daß die Männer so rasch wie möglich zu ihr kamen, und sie konnte ihr Eintreffen kaum erwarten, auch wenn es Polizisten waren.
    Zu denen hatte sie kein gutes Verhältnis. In jüngeren Jahren war sie zweimal von ihnen eingebuchtet worden. Da hatten die Kerle keine Rücksicht auf ein vierzehnjähriges Mädchen genommen, sondern die Demo brutal zerschlagen. Blutend hatte man sie eine Nacht in einer kalten Zelle gelassen, und es war kein Arzt gekommen, der sich um die Verletzten gekümmert hätte. Seit dieser Zeit war ihr Verhältnis zur Polizei mehr oder minder verständlicherweise gestört.
    Nach dem Anruf dachte sie anders darüber.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher