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0714 - Die Totenfrau ist da

0714 - Die Totenfrau ist da

Titel: 0714 - Die Totenfrau ist da
Autoren: Jason Dark
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er einmal nicht mehr ist. Ich brauche keine Rücksicht auf die Leute zu nehmen, ich sollte mein Leben genießen, solange ich es noch kann.« Sie blickte mich direkt an. »Ist das denn so schändlich, daß ich den Wunsch meines Mannes erfülle?«
    »Im Prinzip nicht.«
    »Aber?«
    »Nun ja, er ist erst einige Stunden unter der Erde. Oder nicht einmal so lange. Da finde ich Ihre Lust nach dem Leben schon etwas deplaziert, wenn Sie verstehen?«
    Selma nickte und strich dabei durch ihr Haar. »Für Sie schon, John, nicht für mich. Ich denke eben anders darüber. Er hat mir auch früher alle Freiheiten gelassen. Er freute sich einfach, daß er mich um sich hatte. Der Abgang von der Uni ist ihm nicht leicht gefallen, denn er kam mit den jungen Menschen gut zurecht.«
    »Das stimmt«, bestätigte ich.
    Mit einer grazilen Bewegung streckte Selma den Arm aus und umfaßte ihr Glas. »Ich meine, John, daß wir darauf trinken sollten. Auf ihn, auf uns, auf das Leben an sich.«
    »Nichts dagegen.« Auch ich nahm mein Glas. Es war sehr kalt. Das Mineralwasser sprudelte wie eine Quelle.
    Wir stießen nicht an, wir tranken uns zu, nahmen zugleich die ersten Schlucke.
    Nach dem Kaffee und auch nach dem Whisky tat es mir gut, daß ich einen kräftigen Schluck nahm.
    Ich setzte noch einen zweiten nach, während Selma ihr Glas abstellte.
    »Gut?« fragte sie.
    »Sehr gut.«
    »Das glaube ich. Und es wird noch besser werden, John, darauf können Sie sich verlassen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie lachte perlend. Es klang wie einstudiert. »Später, John.« Mit einer gleitenden Bewegung stand sie auf und bewegte sich um den Tisch herum. »Ich wäre dafür, etwas Musik zu machen.«
    »Jetzt schon?«
    »Keine Trauer, hat mein Mann gesagt. Und daran möchte ich mich, bitte sehr, halten.«
    »Es ist ihr Haus, Selma.«
    Sie blieb vor der modernen HiFi-Anlage stehen. »Und auch mein Leben, John.«
    »Natürlich.«
    Sie bückte sich. Aus einer Kastenbox schnellte auf Knopfdruck eine Lade hervor. Zielsicher griff sie eine Kassette heraus, legte sie ein und drehte sich wieder um.
    Ich war auf die Musik gespannt und hätte mich nicht einmal gewundert, wenn hämmernder Rock aus den Lautsprechern gedrungen wäre, aber es war Beethoven, und diese Klänge konnte ich akzeptieren. Sie lächelte mir über den Tisch hinweg zu.
    »Einverstanden?«
    »Wie erwähnt, es ist ihr Haus.«
    »Ich werde die Kassette später wechseln.« Sie nahm ihr Glas an sich und ließ ihre Handflächen an den Außenseiten entlangstreichen. Dabei schaute sie mich an wie eine Frau, die etwas Bestimmtes in die Wege geleitet hatte und nun darauf wartete, daß es auch eintrat.
    Ihr nächster Satz irritierte mich. »Wenn Sie tanzen wollen, John, tausche ich die Kassette aus.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich würde es gern.«
    »Aber ich nicht, Selma, sorry.« Ich nahm noch einen Schluck aus dem Glas und stellte es dann ab.
    »Ich werde jetzt gehen.«
    »Jetzt schon?«
    »Ja.« Ich stemmte mich aus dem Sessel hoch - und stand noch nicht richtig, da fiel ich bereits zurück, weil mich ein rasanter Schwindel überkommen hatte.
    »Ist was…?«
    Ich schluckte. Auf einmal strömte der Schweiß aus allen Poren. Ich verspürte nicht mehr den Wunsch, mich zu erheben, weil ich auf einmal der Ansicht war, daß es doch nicht klappte. Ich könnte nur mühsam den Kopf anheben, um die Frau anzuschauen, und ich sah ihr Gesicht ziemlich verschwommen, erkannte aber, daß sie ihre Lippen zu einem breiten Lächeln verzogen hatte.
    Da stimmte etwas nicht.
    Ich startete zu einem erneuten Versuch. Diesmal kam ich nicht einmal hoch, weil meine Knie anfingen zu zittern. Ich drückte mich wieder zurück, dabei schaute ich automatisch zu meinem Glas. Es konnte durchaus sein, daß man mir etwas in das Mineralwasser gemixt hatte.
    Selma Scott ließ mich nicht aus ihren Augen. Genüßlich trank sie dabei, ihr Lächeln blieb sogar, und ich fühlte mich unter ihren verdammten Blicken wie seziert.
    »Nichts geht mehr«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich will nicht, daß du verschwindest, John.«
    Ich hatte Mühe mit dem Sprechen. »Verdammt«, sagte ich, dabei tief Luft holend. »Was wollen Sie denn?«
    »Daß du bleibst.«
    »Und was haben Sie davon?«
    Ich hörte ihr siegessicheres Lachen. »Das wirst du schon sehr bald merken. Schau zum Fenster, John, schau genau hin. Hinter den Wolken lauert mein Freund.«
    »Wer… Wer ist das?«
    »Der Mond. Bisher habe ich ihn nur schwach sehen können, aber er wird an
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