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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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Riesenstimme in seinem Kopf: „Beruhige dich!“ Seltsamerweise verstand er das Französisch, als wäre es sein eigenes Magreb-Arabisch gewesen.
    Marfadra klammerte sich an einem Laternenpfahl fest.
    „Ruhe!“
    „Ist Ihnen nicht gut?“ Vor ihm stand ein französischer Polizist, der ihn kühl musterte.
    „Sage, daß du krank vom Flug bist“, flüsterte die Stimme in seinem Kopf.
    Hassan Marfadra: „Mir ist schlecht vom Flug.“
    Polizist: „Sie sind gerade angekommen?“
    Flüsterstimme: „So ist es gut.“
    Marfadra: „Ja, ja. Heute.“
    Polizist: „Ihren Paß!“
    Marfadra: „Was soll das?“
    Flüsterstimme: „Zeig ihm den Paß, Dummkopf.“
    Polizist: „Den Paß, bitte. Oder wollen Sie, daß ich Sie zur Überprüfung mitnehme?“
    Flüsterstimme: „Du sollst ihm den Paß doch nur zeigen.“
    Marfadra legte seinen Koffer flach um, öffnete ihn, wühlte darin, wobei er alles doppelt sah, und reichte dem Polizisten seinen nagelneuen schönen Paß, für den er dem Beamten in seiner marokkanischen Heimat viel Bakschisch gegeben hatte. Er war kaum noch dazu imstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Auch seine Glieder fühlten sich so schwer an. Es schien ihm, als bewegten sie sich von selbst. Sollte er dem Polizisten die Wahrheit sagen?
    Flüsterstimme: „Wenn du die Wahrheit sagst, sperren dich die Franzosen für immer ein. In ein Haus für Verrückte.“
    Polizist: „Einreise heute in Orly. Na gut. Hier ist Ihr Paß.“
    Marfadra: „In ein Haus für Verrückte?“
    Polizist: „Was haben Sie gesagt?“
    Stimme: „Still, du Narr.“
    Marfadra: „Ah! Nicht so laut. Mein Kopf. Ich habe nichts gesagt. Ich spreche nur mangelhaft Französisch.“
    Der Polizist riet ihm: „Sehen Sie zu, daß Sie für die Nacht ein Dach über den Kopf bekommen. Und einen Arzt.“
    Er warf dem Marokkaner einen letzten, kühl forschenden Blick zu und ging weiter. Marfadra bekam nach mehreren vergeblichen Versuchen seinen Koffer wieder zu. Er blieb in Kauerstellung daneben sitzen und wiegte sich stöhnend hin und her.
    „Steh auf!“ flüsterte es in ihm.
    „Willst du noch einmal auffallen?“
    „Das Licht!“ sagte Marfadra stöhnend. „Die Neonreklame …“
    „Steh auf! Sprich nicht laut vor dich hin. Ich höre deine stummen Gedanken laut genug.“
    „Wer bist du?“ fragte Marfadra laut.
    Keine Antwort. Seine Hand nahm automatenhaft den Koffergriff. Ebenso steifgelenkig richtete er sich auf. Etwas Fremdes lenkte seine Bewegungen.
    Am liebsten hätte er jetzt geschrien, gewimmert, getobt. Aber das alles war ihm mit einem mal nicht mehr möglich. Sein Mund öffnete sich nicht mehr, wenn er es wollte. Seine Stimme versagte, weil ein fremder Wille es so befahl.
    Mit hölzernen, fremden Bewegungen ging sein Körper weiter. Sein Kopf hob sich, seine Augen blickten voll in die Neonreklamen von Paris.
    Das Doppeltsehen, das innere Schrittgeräusch und das Sirren hatten aufgehört. Marfadra wurde jetzt ferngelenkt wie ein Roboter. Er war ein Gefangener in seinem eigenen Körper.
    „Wer bist du?“ fragten seine Gedanken.
    Die Stimme flüsterte nicht mehr, es gab auch keinen donnernden Widerhall. Sie klang ganz normal.
    „Du wirst es erfahren, wenn ich mit dir eins bin. Dann wirst du alles wissen.“
    „Aber wie kommst du in mich hinein?“
    „Siehst du das Licht?“
    „Das Licht. Ja, ja. Das Licht. Was willst du von mir?“
    „Nichts mehr. Ich habe deinen Körper übernommen. Es ist jetzt mein Körper.“
    „Du hast mir meinen … Allerbarmender, allbarmherziger Allah – hilf mir! Ich bekenne, daß es keinen Gott außer Allah gibt, und daß Mohammed sein Prophet ist. Erlöse mich von dem Bösen, das mich ergriffen hat! Von dem verfluchten Geist der Tiefe! Dem gierigen Scheitan, dem eklen Wurm der Hölle – erlöse mich, erlöse mich.“
    Aber keine göttliche Stimme antwortete ihm. Jetzt bewegte sich sein Körper schon natürlicher nach dem fremden Willen.
    „Was hat das Licht mit mir gemacht?“
    „Es hat … etwas in dir eingeschaltet. Etwas wie ein Morsegerät. Das Morsegerät hat mich … gerufen. Und jetzt sei still.“
    „Aber …“
    „Sei still!“
    Marfadra spürte plötzlich, wie sich sein Gesicht völlig anders zu falten begann. Das Fleisch fühlte sich auf seinen Knochen an wie eine locker sitzende Maske. Das Wesen hielt seinen Körper vor einem Schaufenster an, aus dem ein Spiegel ihm entgegen blitzte.
    Ein völlig unbekanntes Gesicht sah ihn an: schwer, würdig, spießbürgerlich – aber mit
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