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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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unbekannt, denn Verbrecherfotos von Landru verstaubten ja seit über sechzig Jahren im Kriminalmuseum der Präfektur.
    Wir wissen nicht genau, warum der tote Landru dann noch zu einem so frühen Zeitpunkt begann, seine Gedanken und Absichten dem Afrikaner zu enthüllen. Wahrscheinlich erhöhte es seine satanische Genugtuung, daß er bei allem einen hilflosen Zuschauer hatte, der weder eingreifen noch reden konnte. Dabei profitierte er von der Tatsache, daß der Marokkaner auch dann von ihm besessen blieb, wenn er nicht direkt von Neonlicht beschienen wurde. Wichtig war nur, daß in der Stadt rings um ihn her solche Lichter die Luft mit ihren geheimen Strahlen durchsetzten.
    Es war gegen elf Uhr nachts, als Marfadra vom Sarggefühl befreit wurde.
    Er befand sich in einer leeren, engen Straße, an der alte Häuser standen. Landru lenkte alle Bewegungen seines Körpers.
    Sie gingen die Straße hinunter – auf ein winkliges Haus zu, aus dessen Fenstern im ersten Stock noch ein warmer Halbschimmer von Lampenlicht kam. Landru blieb stehen. Er sah zu den Fenstern hoch. Nach einem kurzen Augenblick des Zögerns zog er sich in den Schatten des gegenüberliegenden Hauseingangs zurück.
    Stille. Herbstlaub raschelte im schwachen Wind.
    Zärtliche Weisen kamen aus dem Haus. Landru und Marfadra dachten an den flackernden Schein duftender Kerzen und an romantische Frauenröcke, die bis zum Boden reichten. Landru dachte an Biedermeier-Reifröcke, Marfadra träumte von nordafrikanischen Gewändern, aus denen schlanken Füße mit klingelndem Schmuck herauslugten. Dann gab es wieder Momente, in denen die Musik von überwältigender Feierlichkeit getragen war.
    „Was ist das für eine Musik?“ fragte Marfadra.
    „Klassische Musik. Sei still, ich muß nachdenken, wie ich da oben hineinkomme.“
    „Die Leute in dem Haus werden Lärm schlagen, oder sie werfen dich gleich hinaus.“
    „Die Leute? Riechst du nicht, daß dort oben nur eine einzige Person ist?“
    „Riechen?“
    „Ja – riechen. Dort oben ist eine Frau ganz allein.“
    „So etwas riechst du?“
    „Du nicht? Da du es erwähnst – ich konnte es vor meinem Tod auch nicht. Aber jetzt kann ich es. Wenn ich nur wüßte, wie ich … Still jetzt, da kommt …“
    „Wo? Wer?“
    „Wenn du mich weiter mit deinen törichten Fragen störst, wirst du dir noch wünschen, nie geboren zu sein!“ Landru trat hastig aus dem Schatten des Hauseinganges. Er blieb in der Gassenmitte stehen. Zur gleichen Zeit näherten sich Schritte. Eine junge Frau kam zögernd auf die Stelle zu, an der das menschlich-unmenschliche Doppelwesen stand.
    Sie war zierlich vom Kopf bis zur Taille und kräftig von der Hüfte bis zu den Füßen. Sie mochte dreißig oder auch fünfunddreißig Jahre alt sein. Ihre Augen und ihre Gesichtszüge verrieten, soweit man das bei diesen Lichtverhältnissen erkennen konnte, Weichheit und Gefühl. Sie wollte vorbeigehen.
    Landru machte eine zurückhaltende Handbewegung zum Fenster hinauf. „Welch schöne Musik“, sagte er in fließendem Französisch.
    Sie blieb kurz stehen – ungewiß, ob sie es war, mit der er gesprochen hatte.
    Landru drehte sich nicht nach ihr um. Er sah hinauf. „So wunderbare Dinge erzählt die Musik“, sagte er leise vor sich hin, so daß sie sich unwillkürlich etwas vorbeugte, um ihn zu verstehen. „Entzücken, Schmerz, Einsamkeit.“
    Die Frau blieb hinter Landru-Marfadra einige Augenblicke lang schweigend stehen. „Einsamkeit ist doch nichts Wunderbares.“
    Jetzt drehte sich Landru um, aber er sah sanft an ihr vorbei. Sein direkter Blick hätte vielleicht Unbehagen hervorgerufen – und das wollte er nicht. Sie sollte bleiben. Sie sollte nicht ohne ihn weitergehen. Mit dem Instinkt der jagenden Bestie ertastete der tote Mörder sich einen Weg, um diese unbekannte Frau in eine Falle zu locken.
    „Doch“, sagte er leise. „Einsamkeit kann wunderbar sein. Für den Verzweifelten zum Beispiel, der Schluß machen will.“
    „Schluß machen, Monsieur?“
    Landru tat, als erwache er aus der Tiefe ganz privater, geheimer Gedanken. „Wie … wie bitte? Ach, das war nur so dahingesagt.“
    „Ich habe ein Ohr für Echtes und Dahingesagtes! Sie wollen so etwas doch nicht wirklich tun?“
    Landru schwieg.
    „Monsieur …“
    „Verzeihen Sie. Die Musik hat mich abgelenkt. Dieses Finale klingt wie der Eingang in eine andere Welt …“
    Über ihnen brach die Musik ab.
    Landru sah die Unbekannte an, als bemerke er sie erst jetzt. „Oh.
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