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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I
Autoren: Karl May
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Felsen gehauener Graben zog er sich von uns aus scheinbar endlos nach Osten, mit steilen Wänden, die mehrere hundert Fuß hoch waren. Unten rauschte ein Wasser, welches von oben aus wie schwarze Tinte erschien. Da, wo wir hielten, standen vereinzelte Riesenkakteen am Felsenrand. Das war der Mistake-Cañon, dessen Anfang sich vor uns öffnete und in den wir hinab mußten. Wer das Auge hinab in den drohend emporgähnenden Schlund richtete, dem konnte allerdings ein Grausen, ein Gefühl überkommen, als ob da unten die Stätte eines unabwendbaren Unheils sei. Ich hatte viele Cañons gesehen und auch viele durchritten, war aber von keinem, um mich des Ausdrucks zu bedienen, so zurückgeworfen worden wie von diesem hier.
    Wir ritten den steilen Weg hinab, bis wir den Grund erreichten; dort ging es am Wasser hin, welches nun allerdings ein andres Aussehen hatte. Wir gelangten an einen großen Uferstein, an dem es sich brach; da hielt Jos sein Pferd an, stieg ab, setzte sich auf den Stein und sagte:
    „Hier ist der Ort, an welchem ich mein Versprechen halten will. Steigt ab, Mesch'schurs! Ihr sollt erfahren, wie die Sage von dem Geist des Mistake-Cañon entstanden ist.“
    „Geist? Pshaw!“ lachte Sam Parker. „Ein Dummkopf ist, wer an solche Geister und Gespenster glaubt. Ein weißer Jäger hat irrtümlicherweise einen befreundeten Apachen an Stelle eines feindlichen Comanchen erschossen. Niemand aber kann sagen, wer es gewesen ist und wie so etwas hat möglich sein können.“
    „Ich, ich kann es sagen, ich allein“, meinte Jos, indem er sich mit der Hand über die Augen strich.
    „Ah, du? Du weißt es, wie diese unglückselige Geschichte sich zugetragen hat?“
    „Ob ich es weiß! Hier von dem Stein aus, auf welchem ich sitze, habe ich selbst damals den verhängnisvollen Schuß abgefeuert. Meine Augen waren um dreißig Jahre jünger als jetzt, aber doch nicht scharf genug, den Richtigen vom Falschen zu unterscheiden. Ich hatte einen Freund, wißt Ihr, einen echten, wahren; er war ein Apache und hieß Tkhlisch-lipa, ‚Klapperschlange‘. Er verdankte mir das Leben und hatte dafür versprochen, mir einen Ort zu zeigen, an welchem Nuggets in Menge zu finden seien, wie ich bereits gesagt habe. Ich suchte mir also vier wackere Boys zusammen, welche zu dem Unternehmen paßten. Wir mußten sehr vorsichtig sein, weil der Ort im Gebiet der Comanchen lag; darum nahmen wir Weißen keine Pferde mit, und nur der Apache hatte auf seinen Mustang nicht verzichten wollen. Um keine lange Einleitung zu machen, wir kamen hier oben am Cañon an. Ihr seht am Rand desselben einzelne Riesenkakteen stehen. Weiter zurück gab es damals einen ganzen Wald davon, an dessen Saum wir uns eine Hütte bauten, in welcher wir wirtschaften wollten, während der Arbeitsplatz hier unten am Wasser lag.
    Tkhlisch-lipa hatte nicht gelogen; unsere Ausbeute war über Erwarten reich, obgleich nur vier Personen schaffen konnten, da einer die Hütte zu bewachen hatte, während ein andrer jagen mußte, um für Fleisch zu sorgen. Das letztere hatte mit der größten Umsicht zu geschehen, da Avatkuts, der ‚Große Büffel‘, der Häuptling der hier hausenden Comanchen, nicht nur ein blutgieriger Mensch, sondern auch ein Virtuose im Spüren war. Es verstand sich ganz von selbst, daß jeder neben Hacke und Spaten auch seine Waffen stets bei der Hand hatte.
    Wir mochten wohl an die drei Wochen hier gewesen sein, als eines Tages der Apache den Dienst bei der Hütte zu versehen hatte, während ein Kamerad, der lange Winters, nach Fleisch umherstreifte. Während wir anderen unten herzhaft arbeiteten, saß der Rote oben, sich langweilend, in der heißen Sonnenglut. Er hatte sein Oberkleid, eine neue, wertvolle Santillodecke, abgelegt und rieb sich den Körper zum Schutz gegen Insekten nach Indianerart mit Bärenfett ein. Da hört er hinter sich ein Geräusch. Er blickt sich um und sieht den gefürchteten Comanchenhäuptling, den er sofort erkennt, vor sich stehen, mit dem Gewehrkolben zum Schlag ausholend. Ehe er auszuweichen vermag, saust der Hieb nieder und trifft ihn so auf den Kopf, daß er die Besinnung verliert. Daß ihm nicht der Schädel zerschmettert worden ist, hat er nur seiner eigenartigen Kopfbedeckung zu verdanken, einer Art Mütze, welche mit Fuchsschwänzen und Klapperschlangenhäuten verziert war.
    Avatkuts läßt ihn einstweilen liegen und tritt in die Hütte, um dieselbe zu untersuchen. Er findet unsre mit Nuggets gefüllten Lederbeutel und
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