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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I
Autoren: Karl May
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den Maulesel, welcher ohne Zaum und Sattel sich in ziemlicher Entfernung rechts von uns im Gras gütlich tat. Wo waren die Menschen? Ich mußte sie finden. Während Ben sich gemächlich hinüber zu dem fremden Maulesel trollte, schritt ich mit unserm Maultier geradeaus weiter. Der vermeintliche Esel fraß weiter, bis Ben sich ihm auf hundert Schritte genähert hatte; da bekam er ihn in die Nase, hob den Kopf, warf sich blitzschnell herum und floh in weiten Sätzen auf mich zu, wohl aus Sympathie für seinen Verwandten, an dessen Seite ich mich befand. Aber, was war denn das? Das war ja beileibe kein Maulesel; das war ein Wild. So viel sah ich, obgleich ich ein Greenhorn war. Ich kniete schnell hinter meinem Maultier nieder, legte an, zielte und drückte ab. Die fremde Kreatur tat noch zwei, drei Sätze und brach dann zusammen. Ich rannte hin; Ben kam auch; der Schuß war ins Blatt gedrungen, und wir beide wurden darüber einig, daß ich eine ‚Hirschkuh‘ erlegt hatte. Sie wurde auf den Packsattel des Maultiers gebunden, und dann ging es weiter, doch nicht lange, so war das Tal zu Ende. Rechts und links unersteigbare Wände, vor uns eine ziemlich steile Höhe, welche eine Art Sattel zu sein schien, hinter dem ein zweites Tal zu suchen war. Unser Maultier war ein guter Kletterer, also beschlossen wir, geradeaus zu steigen.
    Wir gelangten nach einiger Anstrengung hinauf und sahen, daß wir uns nicht geirrt hatten, denn vor uns senkte sich das Terrain wieder tief hinab. Aber dort gab es in der Ferne einen eigentümlichen Lärm, welcher von menschlichen Stimmen hervorgebracht zu werden schien. Wir mußten wissen, woran wir waren, und also nach einem Lugaus suchen. Zu beiden Seiten des schmalen Bergsattels gab es zwar hohe, aber so schräge Steilungen, daß man sie leicht ersteigen konnte. Wir arbeiteten uns also links hinauf, um von dort in das jenseitige Tal hinabzublicken. Unser Maultier ließen wir einstweilen stehen. Oben angekommen, wollte Needler sich weit vorbeugen, um besser sehen zu können; da er aber wegen seines helleren Anzugs leicht bemerkt werden konnte, so schob ich, der ich dunkler gekleidet war, ihn zurück und blickte hinab.
    Was im Vordergrund des zweiten Tals vorging, konnte ich nicht sehen, da mein Standort dazu nicht hoch genug war; aber im Hintergrund sah ich sieben indianische Reiter, welche, eine breite Linie bildend und aus vollen Hälsen schreiend, langsam vorwärts rückten. Dieses Geschrei kam also näher und wurde so stark, daß unser unten stehendes Maultier höchst bedenklich mit den Ohren zu spielen und mit dem Schwanz zu wirbeln begann. Ich schickte darum Ben hinab, um es zu beruhigen.
    Da fiel mein Auge auf die andre, jenseits des Sattels ungefähr vierzig Schritte von mir sich erhebende Steigung. Dort saß zu meinem Erstaunen ein Indianer mir gegenüber. Es war To-ok-uh, der ‚Schnelle Pfeil‘, welcher mir bedeutsam zunickte und dann die rechte Hand auf den Mund legte, bei den Indianern das Zeichen des Schweigens. Wie kam er hierher? Warum und worüber sollte ich schweigen? Vorgestern war er unbewaffnet, und jetzt hatte er ein Gewehr quer über seinen Knien liegen. Während ich darüber nachdachte, war der Lärm noch näher gekommen; ich hörte unter mir Steine rollen und blickte hinab. Himmel, was für ein Ungeheuer ließ sich da sehen! Unter lautem, zornigem Schnaufen kam es aus dem jenseitigen Tal nach der Höhe des Sattels geklettert. Am Widerrist über zwei Meter hoch, mit kurzem, plumpem Leib und langen Beinen, breit überhängender Oberlippe und struppigem Kinnbart, tauchte es funkelnden Auges auf der Höhe des Bergsattels auf. Als es dort Ben Needler und das Maultier hart vor sich erblickte, warf es den häßlichen Kopf mit den breiten, gewaltigen Schaufeln nach hinten und brach nach meiner Seite aus. Needler, als er seinerseits diesen Behemoth nur sechs Schritt sich entfernt wie aus dem Erdboden erscheinen sah, stieß einen Schrei des Entsetzens aus, warf sein Gewehr weg, drehte sich um und rannte, nein, kollerte Hals über Kopf von der Höhe in das diesseitige Tal herab. Das Maultier zeigte nicht mehr Mut als sein Herr; es tat einen ebenso schnellen Satz zurück und schoß, glücklicherweise auf allen vieren, wie ein Schlitten den Bergsattel hinab.
    Ich hatte keine Zeit, aufzupassen, ob beide glücklich unten anlangten, denn der Behemoth hatte sich ja nach meiner Seite gewendet und bemerkte nicht, daß der Weg vor ihm frei geworden war. Er kam in weiten, gewaltigen
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