Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
von jenem Tag an sind meine Kugeln so glücklich geflogen, daß es dem Alten niemals in den Sinn gekommen ist, daß ich mit jenem Elk geflunkert haben könne. Mit dem ‚Schnellen Pfeil‘ bin ich noch oft zusammengetroffen und werde von den Seinen noch heut Atpui, das gute Herz, genannt. Er hat das Geheimnis treu bewahrt, und heut ist es das erste Mal, daß es verraten wird. Ja, Mesch'schurs, ich gestehe es in aller Jägerreue, daß mein erster Elk gar nicht mein erster, aber auch noch lange nicht mein letzter Elk gewesen ist. Ich habe gesprochen. Howgh!“
    Er schwieg, und die andern machten ihre lustigen Bemerkungen über das, was sie gehört hatten. Ich war still. Jeder Westmann hat seine Lehrzeit durchmachen müssen; es fällt ja kein Meister vom Himmel; auch ich hatte meine Lehrer gehabt, erst Sam Hawkens, den possierlichen kleinen Kerl, und dann Winnetou, den unvergleichlichen Meister in allem, was der Wilde Westen verlangt.
    Was Old Wabble betrifft, so hatte ich viel, sehr viel von ihm gehört, ihn aber noch nicht gesehen. Man wußte, daß er wirklich existiere, und doch lebte er in den Erzählungen wie eine mythische Gestalt, mit der die Gegenwart nichts mehr zu schaffen hat. Man berichtete hundert und aberhundert Schrullen und Taten von ihm, welche bewiesen, daß er ein Original war, wie es kaum ein zweites geben konnte; man wußte nicht, wo er sich jetzt befand und was er trieb, und wenn er plötzlich einmal hier oder dort auftauchte, so war es nur für eine kurze Zeit, und man hatte wieder eine schnelle, kühne Tat oder eine ganz abnorme Sonderlichkeit von ihm zu erzählen.
    In seiner Jugend war er der ‚König der Cowboys‘ genannt worden; jetzt hatte er ein Alter erreicht, welches man auf über neunzig Jahre schätzte, doch sollte er noch ebenso rüstig wie ein Junger sein, und nur sein langes, schneeweißes Haar, welches beim Schnellreiten wie eine Mähne hinter ihm wehte, verriet die Länge seines außerordentlich bewegten Lebens. Ich hatte längst den Wunsch gehabt, ihn einmal zu sehen. Nun war er vor mir hier gewesen und wahrscheinlich für lange Zeit wieder verschwunden.
    Es war während Parkers Erzählung Abend geworden; wegen der Comanchen durfte kein Feuer angebrannt werden; darum gab es keine Unterhaltung, und wir legten uns schlafen. Als wir am nächsten Morgen aufbrechen wollten, zeigte es sich, daß Parkers Mißtrauen nicht unberechtigt gewesen war: der Kommandant wollte absolut einen von den Jägern als Scout zurückbehalten, stieß aber bei ihnen auf so hartnäckige Weigerungen, daß er endlich einsah, es sei besser, zu verzichten; ein mit Zwang gepreßter Späher hätte ihm voraussichtlich mehr Schaden als Nutzen gebracht. Da machte ich mir den Spaß, mich ihm anzubieten. Er wies mich mit einer verächtlichen Handbewegung zurück und sagte:
    „Reitet nur immer fort, Mr. Charley! Ein Mann, dessen Beruf es ist, nach verfaulten Knochen und Überresten zu suchen, kann unmöglich das tun, was ich von einem Scout verlange. Stochert also getrost in alten Gräbern weiter; ich will mir mit Euch keine Last auf den Hals laden.“
    Er hatte also erfahren, was mich vermeintlich nach dem Westen getrieben hatte. Well, mir war dieser Abschied recht. Um nicht etwas noch im Fortreiten durchschaut zu werden, hing ich so unbeholfen wie möglich auf dem Pferd und behielt dies dann auch während des ganzen heutigen Ritts bei, damit meine Begleiter ihre Ansicht über mich nicht ändern möchten.
    Diese zehn Männer hatten sich auf der Route vom Rio Gila herüber zusammengefunden und wollten jetzt nach Texas hinab, der eine von dieser und der andre von jener Absicht getrieben; eine durch einen bestimmten Zweck zusammengehaltene Gesellschaft bildeten sie nicht.
    Vom Lagerplatz der Truppen bis zum Mistake-Cañon hatten wir vier Stunden zu reiten, welche vergingen, ohne daß sich irgend etwas ereignete. Josua Hawley wurde unterwegs an sein gestriges Versprechen erinnert, und er versprach, es zu halten. Die Worte, die ich gestern aus seinem Mund gehört hatte, waren mir genug; ich wußte, daß er der Weiße war, der den roten Freund infolge eines Mißverständnisses erschossen hatte. Das lag ihm noch heut auf der Seele, und daher die Schwermut, die mir gleich beim ersten Blick aufgefallen war.
    Wir hatten uns bis jetzt auf einer felsigen Hochebene befunden, die sich nun allmählich abwärts senkte. Dann hielten wir vor einem tiefen Schlund, zu dem ein steiler Weg hinabführte. Wie ein von Gigantenfäusten in den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher