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0682 - Das Geisterkind

0682 - Das Geisterkind

Titel: 0682 - Das Geisterkind
Autoren: Jason Dark
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Mädchengesicht umrahmte.
    Die Decke war bis über die Brust hochgezogen worden. Millie hatte die Arme angewinkelt und ihre Hände übereinander auf die Brust gelegt. Eine Haltung, in der man Tote einsargte.
    Neben dem Bett stand ein Stuhl. Auf ihm nahm Kate nicht Platz, sie setzte sich auf die Bettkante, nickte ihrer Tochter zu und fragte leise: »Ist es so recht?«
    »Ja, Mum…«
    Kate rang sich ein Lächeln ab. »Ich werde alles tun, Millie, damit du wieder gesund und normal wirst.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du musst wieder so fröhlich werden wie früher. Diese schreckliche Phase wird auch vorbeigehen.«
    Kate wollte lächeln. Sie sah jedoch den Blick ihrer Tochter, und der wiederum verriet ihr mehr als eine akustische Antwort, denn er machte ihr klar, dass Millie damit ganz und gar nicht einverstanden war. Dennoch überkam sie Hoffnung, als Millie mit leiser Stimme sagte:
    »Die Phase ist vorbei, Mum.«
    »Dann wirst du…«
    »Ich werde sterben. Gleich, Mum. Deshalb habe ich dich auch gerufen, glaube es mir.«
    Kate Foreman sagte nichts. Sie saß nur da, bewegte sich nicht und spürte, wie ihre Seele und das Herz vereisten. Es war für sie wie ein Traum, der sie in eine andere Welt geführt hatte, in die Reiche der Albträume, die leider zu einer schrecklichen Wahrheit für sie geworden waren. Sie wünschte sich so sehr, neben sich selbst zu sitzen, aber das war nicht der Fall.
    Noch immer dachte sie über die Worte nach und merkte, dass ihr Gefängnis immer enger wurde.
    Ein innerer Käfig drückte sie stärker zusammen, und sie war kaum in der Lage, Luft zu holen.
    »Sterben…«, hauchte sie, ohne dass sie es selbst kaum merkte. »Du willst also sterben…«
    »Ja - endlich.« Ihre Stimme klang beinahe fröhlich, und in den Augen blitzte es. Das waren nicht allein die Lichtreflexe der Kerzen in den Pupillen. Die Augen des Mädchens strömten eine innere Freude aus, die seine Mutter nicht begriff.
    Kate Foreman bewegte sich. Ihre Hand kroch über die dünne Bettdecke, bis sie die Hände ihrer Tochter erreicht hatte. Dort legte sie sich nieder, und sie spürte die Kälte der Haut, als wäre Millie schon an der Grenze zum Tod.
    »Warum bist du denn so traurig, Mum?«
    »Kannst du dir das nicht denken, Kind? Erst hat dein Vater uns verlassen, jetzt willst du fort von mir. Ich - ich kann es einfach nicht fassen. Ich werde allein zurückbleiben…«
    »Aber Mummy«, unterbrach Millie die Mutter mit einer beinahe vorwurfsvoll klingenden Stimme.
    »Das stimmt doch nicht. Du bist nicht allein. Ich werde immer bei dir sein.«
    Sie nickte nur. »Du meinst es gut, Kind, ich weiß. Aber das wird nicht der Fall sein. Daran kann ich nicht glauben. So etwas hat mir meine Großmutter schon gesagt, als sie starb. Das sind nur tröstende Worte, mein Schatz.«
    »Bei mir nicht.«
    »Ach Millie.« Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Warum versuchst du es denn? Ich weiß bis zu dieser Minute noch nicht, weshalb du überhaupt sterben willst. Es ist mir ein Rätsel. Keiner hat es herausgefunden, keinem hast du es gesagt. Man wünscht sich doch nicht einfach, aus dem Leben zu treten.«
    »Aber es gibt nicht nur dieses Leben, Mummy.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich denke an ein anderes. Es gibt andere Leben, das musst du mir glauben. Eine Sehnsucht hat mich erfasst, in das Leben einzutreten, das diesem folgt.«
    »Es ist der Tod!«, erklärte Kate mit dumpfer Stimme. »Ich muss es leider so sagen.«
    »Ja, aber auch ein Beginn.«
    »Welcher denn für ein Mädchen in deinem Alter? Du bist kein Greis, du bist ein Kind. Ich habe ab und zu den Eindruck, als wolltest du dir dein Leben selbst aussaugen. Du nimmst dir deine innere Kraft, die es dir gestattet, auch weiterhin zu existieren. Und du lässt etwas zurück, das dir lieb und teuer sein sollte, nämlich mich. Ich kann es nicht fassen, Kind…«
    Kates Stimme versagte. Sie konnte nicht mehr sprechen, fing an zu weinen, und Tränen rannen aus ihren Augen. Die Lippen zuckten, sie hielt sie zusammengepresst, und auch die Adern am Hals bewegten sich, als sie schluckte.
    »Nein, du darfst nicht weinen. Es sind andere, die mich holen werden. Mein Tod ist nicht schlimm. Ich vertraue ihnen.«
    Diese Worte rüttelten Kate Foreman auf. »Wem vertraust du?«
    »Ihnen.«
    »Kenne ich sie?«
    »Nein, aber du brauchst keine Furcht zu haben. Es wird sich alles richten. Schau in die Flammen der Kerzen, Mummy. Sie sind wie meine Seele, noch brennen sie, aber bald werden sie erlöschen. Wenn sie
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