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0677 - Yaga, die Hexe

0677 - Yaga, die Hexe

Titel: 0677 - Yaga, die Hexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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waren, und zuweilen half er auch ein bißchen nach, damit die Ernte nicht zu schlecht ausfiel, doch dann jedesmal kostete es ihn sehr viel Kraft, und die Menschen wunderten sich darüber, warum ihr Seelenhirte immer so kraftlos war, nachdem seine Augen tagelang ihre Farbe verändert hatten und in grellem Grün leuchteten, um danach wieder dunkel zu erscheinen.
    Er konnte das nicht oft tun, und er wollte es auch nicht. Es war nicht gut, zu sehr in die Natur einzugreifen, nur um die Menschen nicht verhungern zu lassen.
    Er sagte ihnen nie, was er tat. Er sagte ihnen, daß Gott ihre Gebete erhört habe. Er wollte keinen Ruhm und keine Ehre, er wollte keine Dankbarkeit. Er wollte nur, daß es ihnen einigermaßen gut ging, weil er sich als ihr Freund fühlte.
    Hätte er ihnen gesagt, was er tat -sie hätten ihm sicher gedankt, aber sie hätten ihn auch gefürchtet, wie sie jeden Zauberer fürchteten. Das wollte er erst recht nicht.
    Er hatte ihnen auch nie gesagt, wer er wirklich war und wie er wirklich hieß. Oder wie alt er war. Er nannte sich Sergej, denn seinen eigentlichen Namen hätten sie wohl niemals aussprechen können. Und sie hätten auch nicht verstanden, daß er kein Mensch war, dessen Wiege auf der Erde stand, sondern ein Druide vom Silbermond.
    Schon vor langer Zeit war er hierher gekommen. Er wollte die Menschen dieser Welt kennenlernen, ihre Mythen und Legenden erforschen, ihre Magie studieren. Er wanderte durch die Länder, Städte und Dörfer wie viele andere seiner Art, und manchmal verweilte er für ein paar Jahre oder Jahrzehnte an einem Ort.
    So wie hier.
    Eigentlich hätte es ihm gleich sein können, ob diese Menschen gut oder schlecht lebten. Aber er fand Gefallen an ihnen, und wenn er ein wenig helfen konntè, warum sollte er es dann nicht tun? Er verlor doch keine Zeit. Er hatte genug Zeit für tausend Leben. Er alterte nur, wenn er das selbst wollte, so wie jeder, dessen Lebensbaum auf dem Silbermond wuchs und blühte.
    Am Dorfrand erklangen das Fauchen eines Blasebalgs und rhythmische Hammerschläge. Dort war Wanja, der Schmied, der nur aus Muskelpaketen und Gutmütigkeit bestand, damit beschäftigt, einen neuen Pflug zu schmieden. Sergej hatte ihm ein paar Verbesserungen gezeigt, und Wanja war davon begeistert. Einen Steinwurf von der Schmiede entfernt ragte der Eiserne Wladimir auf, ein vor mehreren Generationen verstorbener Fürst, der das Christentum in diesen Teil des Landes gebracht hatte. Genauer gesagt, was da aufragte, war Fürst Wladimirs Rüstung.
    Ob sie ihm wirklich einmal gehört hatte, wollte Sergej lieber nicht ergründen. Warum sollte er an alten Legenden kratzen?
    Ihn kratzte eher eine ganz andere Legende. Die einer zauberkräftigen Frau, die irgendwo in der Umgebung ihr Unwesen treiben sollte. Yaga hieß sie, raunte man sich zu, aber niemand wußte etwas Genaueres über sie. Naturgemäß interessierte der Silbermond-Druide sich für solche Dinge; jeden Magier zieht Magie magisch an, wie er einmal spöttisch formuliert hatte - lange, bevor er Sibirien erreichte hatte, diese kalte Land, das so kurze, aber wunderschöne Sommer in herrlicher Landschaft kannte, in die man sich verlieben mußte. War das der Grund, weshalb es die Menschen hier aushielten, warum sie seßhaft geworden waren, statt nach alter Kosakentradition oder wie die wilden Reitervölker im Süden und Südosten von einem Ort zum anderen zu ziehen? Liebten sie die Sommerlandschaft so sehr, daß sie dafür die entbehrungsreichen, entsetzlich kalten und langen Winter klaglos ertrugen?
    Sergej lebte erst seit einem Dutzend Jahren hier, aber manchmal sehnte er sich schon nach dem warmen Süden zurück. Ins Land jenseits der hohen Himmelsberge, wo grauhäutige Rüsseltiere in den Wäldern lebten und die Menschen Wishnu, Shiva und Krishna verehrten. Götter, für die der Druide nur wenig Sympathie aufbringen konnte. Sie verlangten viel von den Menschen - oft zu viel. Und die Rajas und Maha-Rajas knechteten das Volk in ihrem Namen noch viel stärker, ohne daß die Götter dagegen einschritten. Aber wenigstens war es dort warm, selbst in der Regenzeit.
    Aber Sergej hielt es in diesem kleinen sibirischen Dorf aus. Er wußte, daß er später noch Hunderte und Tausende von Jahren in warmen Ländern leben konnte, wenn er wollte.
    Und ihn nicht irgend jemand umbrachte. Ein Schwarzmagier vielleicht, oder ein Dämon. Das geschah bisweilen, wenn ein Silbermond-Druide unvorsichtig war und sich auf Dinge einließ, denen er nicht
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