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067 - Der Redner

067 - Der Redner

Titel: 067 - Der Redner
Autoren: Edgar Wallace
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Verbündete in wenigstens einem Dutzend europäischer Gefängnisse. Er selbst war zwar schon in Untersuchungshaft gewesen, aber noch niemals verurteilt worden.
    In Paris konnte man ihn in der American Bar des Hotels Claridge und in anderen vornehmen Lokalen treffen. Gelegentlich machte er eine Kur in Vichy oder in BadenBaden, auch besuchte er berühmte Moorbäder in der Tschechoslowakei. Er war eitel, trat sehr elegant auf und war ängstlich darauf bedacht, seinen Ruf als Kavalier zu wahren.
    »Um Einbrüche erfolgreich durchzuführen, muß man psychologisch denken können. Es genügt nicht, die drohenden Gefahren zu kennen, man muß vor allem auch die Gedankengänge der Gegner verstehen. Das ist das wichtigste bei solchen Unternehmungen. Der Erfolg kann auf die Dauer nur einem Mann treu bleiben, der ein tüchtiger Organisator ist und seinen Verbündeten unverbrüchliche Treue hält.«
    Chefinspektor Rater las diesen interessanten Artikel so oft durch, daß er ihn beinahe auswendig wußte. Er schnitt ihn auch aus und klebte ihn in ein Buch, um sich daran zu erinnern, wenn Len Witlon eines Tages seine Tätigkeit in England aufnehmen sollte.
    »Sagen Sie Ihrem Freund«, bemerkte er eines Tages zu einem Vertrauten des großen Verbrechers, »wenn er sich hier in London sehen läßt, stecken wir ihn ohne Gnade und Barmherzigkeit ins Loch. Dann findet er vierzehn Jahre lang keine Gelegenheit mehr, sich von Zeitungsleuten interviewen zu lassen.«
    Eines schönen Tages nahm Len diese Herausforderung an .
    Gemächlich ging Polizist Simpson auf seinem Patrouillengang über den Burford Square zur Ecke der Canford Street. Er hatte sich für elf Uhr mit seinem Kollegen Harry verabredet, der den benachbarten Bezirk überwachte, um mit ihm die unterbrochene Unterhaltung über seinen Schwager fortzusetzen. Dieser Mann war nämlich nach Kanada gegangen und hatte seine Frau mit ihren drei Kindern einfach sitzenlassen.
    Ungefähr zu gleicher Zeit kamen die beiden am Treffpunkt an, und das interessante Thema wurde sofort wieder in Angriff genommen.
    »Ich habe meiner Schwester immer gesagt, daß sie eigentlich selbst daran schuld ist, und daß ...«
    Simpson brach ab, denn plötzlich gellten furchtbare Schreie durch die Stille der Nacht. Sie kamen aus einem dunklen Haus in der Nähe.
    »Mord ... Mord!«
    Die beiden Beamten eilten zu dem Gebäude, so schnell sie konnten. Auf den Stufen zu Nr. 95 stand ein junges Mädchen. In dem schwachen Schein einer entfernten Straßenlaterne sahen sie ihr weißes Nachthemd.
    »Hilfe ...! Ach, Gott sei Dank, daß Sie kommen!«
    Sie trat vor den beiden durch die offene Tür in den dunklen Flur.
    »Ich hörte, wie sie miteinander kämpften und wie er um Hilfe rief«, berichtete sie atemlos und verstört. »Und ich versuchte, in sein Zimmer einzudringen .«
    Sie tastete nach dem elektrischen Schalter und drehte das Licht an. Eine große Lampe an der Decke verbreitete gelbliches Licht.
    »Was ist denn los? Welches Zimmer meinen Sie denn?« fragte Simpson schnell.
    Sie zeigte mit zitternder Hand die Treppe hinauf. Ihre Züge zeigten eine auffallende Blässe, aber sie war sehr schön.
    »Häng doch der Dame einen Mantel um, Harry«, sagte Simpson und deutete auf einen Ständer in einer Nische, an dem Hüte und Kleider hingen. »Sie müssen uns das Zimmer zeigen«, wandte er sich dann an sie.
    Aber sie schüttelte den Kopf und starrte die beiden entsetzt an.
    »Nein, nein, das kann ich nicht ... Es liegt am ersten Treppenabsatz - nach vorne hinaus. Man kann von dort aus auf den Platz sehen -«
    Die Polizisten stürzten die Stufen hinauf, und als sie auf dem Podest ankamen, leuchtete die Deckenlampe auf. Wahrscheinlich befand sich der Schalter hierzu auch unten, denn oben konnten sie keinen entdecken. Sie standen vor einer Mahagonitür mit vergoldeten Schnitzereien und einem schönen Griff.
    Simpson, dessen Schwager nach Kanada durchgebrannt war, drückte die Klinke herunter. Die Tür war aber von innen verschlossen.
    »Öffnen Sie!« rief er und rüttelte heftig daran.
    Aber niemand kam der Aufforderung nach, und als er aus Versehen die Klinke wieder berührte, gab die Tür plötzlich nach.
    Sie traten in einen weiten Raum, der die volle Breite des Hauses einnahm. Ein Kristallkronleuchter brannte, und Simpson sah einen großen Mahagonischreibtisch vor sich. Dahinter zeigte sich ein kostbarer Marmorkamin, der elektrisch geheizt wurde. Als sie um den Schreibtisch herumgingen, entdeckten sie auf dem Boden einen
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