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067 - Der Redner

067 - Der Redner

Titel: 067 - Der Redner
Autoren: Edgar Wallace
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nicht angetan hätte! Er sieht sehr vorteilhaft aus, ist aber viel älter, als er auf den ersten Blick erscheint. Und er hat hübsche blaue Augen. Sie werden ihn wahrscheinlich noch sehen.«
    »Ja, heute abend spreche ich mit ihm«, entgegnete Mr. Rater, und zu ihrem größten Erstaunen erhob er sich. »Ich glaube, ich brauche weiter keine Fragen mehr an Sie zu richten. Nur möchte ich wissen, ob der Kasten ein gewöhnliches Schloß hatte.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, das ist ja das Merkwürdige. Der Kasten ist ein Hochzeitsgeschenk und hat ein Yaleschloß. Der einzige Schlüssel dazu war in meinem Besitz.«
    »Warum verwahrten Sie denn Briefpapier darin?«
    Sie errötete.
    »Mein Mann sah nicht gern, daß ich Briefe schrieb. Er war wirklich sehr geizig und zählte jeden Morgen die Briefbogen auf dem Schreibtisch nach. Über jedes Blatt Papier und über jedes Kuvert mußte ich ihm Rechenschaft geben. Das klingt lächerlich, nicht wahr? Ich kaufte mir deshalb Briefpapier in der Stadt und verwahrte es in dem Kasten. Er war immer eifersüchtig, daß ich alte Freundschaften weiterpflegte und mit einigen Damen korrespondierte, die ich von der Schulzeit her kenne. Das werden Sie leicht beweisen können, aber ich weiß nicht, wozu das helfen könnte.«
    »Warum haben Sie denn der Polizei nichts von Braits Liebeserklärungen erzählt, als Sie verhaftet wurden?«
    Sie schauderte zusammen.
    »Ich dachte nicht, daß mir das irgendwie nützen könnte.«
    Der Redner verließ das Gefängnis mit der festen Überzeugung, daß die Frau unschuldig war, und es war ja nicht das erstemal in seinem Leben, daß er sich auf die Seite der Verteidigung stellte. Aber noch nie hatte sein inneres Gefühl so sehr für einen Angeklagten gesprochen wie in diesem Fall.
    Am Abend kam er mit Mr. Brait zusammen und sagte ihm, daß er Mrs. Fainer im Gefängnis getroffen hätte und daß sie beharrlich bei ihrer Aussage bliebe, nicht über Arsen mit ihm gesprochen zu haben.
    Mr. Brait hörte zu und machte ein trauriges Gesicht.
    »Ich wünschte wirklich, ich hätte sie an dem Tag niemals getroffen. Ich hatte auch erst gar nicht die Absicht, in die Stadt zu gehen. Es war der reinste Zufall, daß ich ihr nachher begegnete. Ich habe die Frau sonst sehr gern.«
    »Was meinen Sie damit? Lieben Sie die Dame?«
    Mr. Brait wurde rot.
    »Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen, eine solche Frage an mich zu stellen«, erwiderte er etwas von oben herab. »Ich habe sie sehr gern, weil sie eine hübsche Erscheinung ist. Mit ihrem Mann war ich enger befreundet als mit ihr. Das ist alles.«
    »Haben Sie ihr Briefe geschrieben?«
    Mr. Brait lächelte.
    »Hat sie Ihnen das gesagt? Nun, dann will ich es nicht abstreiten. Ich habe ihr ein paar kurze Mitteilungen geschickt, wann ich abends zum Kartenspiel kommen würde und dergleichen. Meinen Sie, ich hätte ihr auch noch andere Briefe geschrieben?«
    »Ich meine gar nichts, ich frage Sie nur«, entgegnete der Redner kurz.
    Nachdem Brait gegangen war, machte der Polizeidirektor, in dessen Büro die Unterhaltung stattgefunden hatte, seinem Kollegen Vorwürfe.
    »Ich glaube nicht, daß Sie auf diese Weise mit Brait umgehen sollten. Er ist wirklich ein sehr anständiger und geachteter Mann. Der tut keinem Menschen etwas zuleide. Welche Meinung haben Sie denn von Mrs. Fainer?«
    »Ich habe den besten Eindruck von ihr.«
    Am nächsten Morgen war Mr. Rater schon frühzeitig unterwegs, und der junge Detektiv, der ihm zur Unterstützung beigegeben war, brachte ihm verschiedene interessante Neuigkeiten.
    »Braits Bürojunge hat seine Stelle verloren, weil er während der Geschäftszeit rauchte. Ich habe mich mit ihm unterhalten, er ist ein intelligenter Bursche.«
    »Ich hasse intelligente Burschen«, brummte der Redner. »Mir ist es viel lieber, wenn sie vernünftig und normal sind.«
    Aber später wußte er die Intelligenz des Jungen doch sehr zu schätzen, als er durch dessen Vermittlung ein Tagebuch erhielt. Während der nächsten Tage fuhr Mr. Rater dreimal zu einer benachbarten Stadt, die fünf Meilen entfernt lag. Das tat er nur, weil er von dort aus telefonieren konnte, ohne die Neugierde der lokalen Zentrale zu erregen. Er führte Ferngespräche mit St. Helens in Lancashire und mit einem Pfarrer in einer Stadt in Somerset. Als er abends nach Burntown zurückkehrte, war bis auf das Geheimnis des verschlossenen Kastens alles aufgeklärt.
    Der Polizeidirektor bewahrte ihn in seinem Büro auf.
    »Er hat absolut keinen
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