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0669 - Blackwood, der Geistermann

0669 - Blackwood, der Geistermann

Titel: 0669 - Blackwood, der Geistermann
Autoren: Jason Dark
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Händen hielt, konnte ich wegen des feinen Schneeschleiers nicht genau erkennen. Ein Gegenstand war hell, der andere dunkler und leicht gekrümmt. Einen Hut trug der Mann nicht. Er hatte sein helles Haar dem Schneefall ausgesetzt und ging mit sehr langsamen Schritten vor. In dem Schneevorhang wirkte er wie eine zum Leben erweckte Vogelscheuche. Allerdings hütete ich mich davor, ihn so einzuschätzen, denn das harte, bleiche Gesicht mit der vorspringenden Nase sah mir gefährlich aus.
    Ich konnte auch sehen, was er in den Händen hielt.
    In der Linken einen Hahn oder ein Huhn, in der Rechten ein Messer mit gekrümmter Klinge.
    Scharf atmete ich ein und konnte den Schauer auf meinem Rücken nicht verdrängen. Ich wusste nicht genau, was dieser Mann vorhatte, was dieser Mann mit dem Blut vorhatte.
    Ein Ritual?
    Ich wartete ab und war an die Seite des Grabs getreten, um ihm nicht im Weg zu stehen.
    Er schien mich nicht zur Kenntnis zu nehmen, ging unbeirrt seinen Weg, wobei es ihn auch nicht störte, dass er über andere Gräber hinwegschritt und seine Füße auf dem weißen Schnee dunkle Abdrücke hinterließen.
    Fast auf gleicher Höhe mit mir blieb er stehen. Er wandte mir sein Profil zu.
    Er sah aus wie geschnitzt. Die Nase sprang scharf hervor. Seine Lippen lagen fest aufeinander und waren als dünn zu bezeichnen. Dafür erinnerte mich sein Kinn an einen Stein. Der Wind hatte seine Haare etwas nach hinten geweht und ebenso die Flusen, die sein Kinn umflatterten und den Namen Bart nicht verdienten.
    »Sie wollen auch der Beerdigung beiwohnen?«, fragte ich.
    Ich hatte erwartet, keine Antwort zu bekommen. Der Fremde aber drehte den Kopf, um seinen stechenden Blick auf mich zu richten.
    »Ja«, sagte er nur.
    »Mit dem Hahn?« Ich hatte jetzt erkannt, dass es sich um einen Hahn handelte.
    »Stören Sie mich nicht!«
    »Wobei denn?«
    Mit der blanken Dolchklinge deutete er in das Grab. »Dabei, Mister. Ich werde es vorbereiten.«
    »Das Grab?«
    »Ja, es soll alles stilgemäß ablaufen. Das alte Ritual will es so, wenn Sie verstehen.«
    »Nein, das nicht, aber lassen Sie sich durch mich nicht stören.«
    »Spotten Sie nicht!«, zischte er mir zu und seine Pupillen verwandelten sich in dunkles Eis.
    »Ich brauche nicht zu spotten, ich meine es ehrlich.«
    »Ich auch«, sagte er und bewegte den rechten Arm. Waagerecht wischte die Dolchklinge durch die Luft und schnitt in den toten Körper des Hahns, aus dem das Blut als eine dampfende Masse hervorquoll und im langen Strom nach unten in das Grab hineinklatschte.
    Ab jetzt wurde es echt ungemütlich…
    ***
    Jane Collins kam sich vor wie ein Gespenst, als sie durch den Schnee lief. Er knirschte unter ihren Sohlen wie feines Glas.
    Aus den Wolken tanzten die harten Flocken, der Wind blies ebenfalls schärfer, er fand auf diesem Gelände wenig Widerstand, und Jane war froh, als sie die Leichenhalle erreichte. Es war zwar kein Bau, der sie unbedingt anzog, sicherlich würde es auch kalt sein, aber es schneite wenigstens nicht.
    Der direkte Weg zum Eingang war mit Bruchsteinen belegt. Hin und wieder schimmerte das Gestein noch durch den hellen Schleier. Jane musste Acht geben, dass sie nicht ausrutschte, und blieb vor der Holztür für einen Moment stehen, weil sie hinter sich Schritte gehört hatte.
    Ein Mann schlurfte durch den Nebel und verteilte Streugut aus einem Sack.
    Er sah Jane nicht, die ihre Kapuze nach hinten schlug und die Tür öffnete.
    Irgendwie hatte sie das Gefühl, es langsam und vorsichtig tun zu müssen, sie war ein ungebetener Gast und wollte nicht stören, obwohl sie außer dem leichten Schleifen der Tür keinen Laut hörte. Es wurde weder gesprochen noch gesungen, es erklang auch keine Trauermusik. Die Stille war schon beklemmend.
    Jane fühle sich mehr als unwohl. Im Nacken klebte die Gänsehaut. Der Steinboden war feucht von den hinterlassenen Tritten der Besucher, und durch die grauen, undurchsichtigen Scheiben drang so gut wie kein Lichtschimmer.
    Jane hielt den Kopf gesenkt und kam sich sehr ordentlich vor, als sie die Tür wieder zudrückte.
    Leise und langsam drehte sie sich um.
    Die Leichenhalle war völlig normal eingerichtet. Dunkle Bankreihen. Weiter vorn, wo der Sarg seinen Platz fand, verteilten sich mehrere Lebensbäume, und das Licht wurde von Kerzen abgegeben, die sich in den Händen der jungen Frauen oder Mädchen befanden, die einen Kreis um den pechschwarzen, offenen Sarg gebildet hatten, damit jede in das Gesicht der Leiche schauen
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