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065 - Überfallkommando

065 - Überfallkommando

Titel: 065 - Überfallkommando
Autoren: Edgar Wallace
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Violinspiel hörte auf, und Li Yoseph trat mit hochgezogenen Schultern näher. Er sah Ann unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an und rieb dabei seine langen Hände, als ob er sie mit unsichtbarer Seife wüsche. Er sah beinahe geisterhaft aus, und Ann schrak ein wenig zurück.
    »Dies ist Miss Ferryman, Ronnies Schwester.«
    Das Gesicht des Alten verzog sich zu einem Lächeln.
    »Ich habe gerade mit ihm gesprochen.«
    Ann schaute ihn entsetzt an.
    »Wie, Sie haben mit ihm gesprochen?«
    »Sie müssen sich nicht um sein Gerede kümmern.« Marks Worte klangen scharf, fast befehlend. »Er ist ein wenig ...« Er zeigte bedeutungsvoll auf die Stirn. »Er sieht Geister und dergleichen Dinge.«
    »Ja, viele Dinge«, wiederholte Li Yoseph. Seine Augen wurden größer und größer. »Seltsame Dinge - Dinge, die niemand sieht außer mir - Li Yoseph!«
    »Nun sei aber still, Yoseph«, sagte Mark rauh. »Du erschreckst die junge Dame durch dein albernes Geschwätz.«
    »Ach nein, ich fürchte mich nicht«, erwiderte Ann standhaft.
    Li Yoseph ging in den kleinen Nebenraum zurück und lachte merkwürdig vor sich hin.
    »Ist er öfters so wie jetzt?«
    »Immer«, entgegnete Mark, aber er fügte schnell hinzu: »Abgesehen davon ist er aber vollkommen klar. - Yoseph, bleibe hier. Ich sagte dir doch, daß du Miss Ferryman alles erzählen sollst, was du gesehen hast.«
    Li Yoseph kam langsam zurück und blieb ein paar Schritte vor Ann stehen. Seine Hände waren auf der Brust gefaltet, als ob er betete.
    »Ich will Ihnen sagen, was ich sah.« Seine Stimme klang plötzlich mechanisch. »Erst kommt Ronnie in einem Boot vom Schiff. Er rudert und rudert, dann kommt das Polizeimotorboot und holt ihn ein. Dann sehe ich, wie sie kämpfen und kämpfen, und ich höre einen Fall ins Wasser, und plötzlich höre ich Mr. Bradleys Stimme: ›Der ist erledigt - niemand darf etwas darüber sagen.‹«
    Während er sprach, schaute er sie an, und sie glaubte, in seinem Blick einen gewissen Trotz zu lesen, als ob er schon darauf vorbereitet wäre, daß sie seiner Geschichte keinen Glauben schenken würde.
    »Haben Sie das wirklich gesehen?«
    Er neigte den Kopf.
    Ann wandte sich an Mark.
    »Warum wurden denn diese Leute nicht angeklagt? Warum hat man nur Klage gegen ›einen oder mehrere unbekannte Täter‹ erhoben? Ist denn die Polizei in diesem Land unantastbar? Können ihre Beamten straflos jedes Verbrechen begehen - sogar Mord?«
    Zum erstenmal zeigte sich ihre starke, innere Erregung. Ihre Stimme zitterte, als sie sprach.
    »Bradley - Sie sagten doch, daß Bradley ihn ermordete? Ich werde den Namen nie vergessen.« Ihr Blick traf wieder den alten Mann. Er stand mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen da und schwankte leicht hin und her. »Hat Mr. Yoseph denn keine Klage gegen die Polizei erhoben?«
    Mark lächelte.
    »Wozu? Sie müssen verstehen, Miss Ferryman, daß die Polizei ihre eigenen Gesetze hat, nicht nur bei uns, sondern auch in allen anderen Ländern. Ich könnte Ihnen Romane darüber erzählen, was in New York passiert ist ...«
    »Ich will nicht wissen, was dort geschieht«, unterbrach sie ihn schnell. »Aber sagen Sie mir, ob man diesem alten Mann glauben kann!« Sie sah auf Li Yoseph.
    »Durchaus«, sagte Mark nachdrücklich.
    »Sie können ihm vollständig vertrauen«, mischte sich Mr. Tiser wieder in die Unterhaltung, nachdem er lange hatte schweigen müssen. »Ich kann Ihnen nur die Versicherung geben, daß er ein absolut ehrenwerter Charakter ist.«
    Er begegnete Marks Blick, begann zu stammeln und schwieg dann wieder.
    Anne hatte den Kopf gesenkt und einen Finger an die Lippen gelegt; ihre Stirn lag in nachdenklichen Falten. Mark hatte ihr einen Stuhl angeboten, aber sie hatte es nicht beachtet. Auch er schwieg und wartete darauf, daß sie sprechen würde.
    »Was hat Ronnie für Sie getan?« fragte sie schließlich. »Sie können mir alles sagen, Mr. McGill. Er hat mir oft von Ihnen erzählt, und ich habe schon vermutet, daß Sie irgendein ... strafbares Geschäft betreiben. Wahrscheinlich sind meine moralischen Anschauungen recht sonderbar, aber es kommt mir jetzt nicht mehr so schrecklich vor wie früher. War mein Bruder sehr wertvoll für Sie? Ist der Verlust, den Sie durch seinen Tod erlitten haben, sehr groß?«
    McGill antwortete nicht sofort. Er dachte darüber nach, was sie wohl mit ihrer Frage meinen könnte.
    »Ja, er war beinahe unersetzlich für uns«, erwiderte er endlich.
    »Ronnie war ein Mann, der
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