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058 - Das Monster

058 - Das Monster

Titel: 058 - Das Monster
Autoren: John E. Muller
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der Koffer nicht sonderlich schwer war. Roger Quentin haßte schweres Reisegepäck. Seine Garderobe bestand aus einer Sportjacke und Flanellhosen, dem sauber gebügelten und sorgfältig zusammengelegten Anzug, zwei Hemden und einem zusätzlichen Paar Socken. Wie alle Medizinstudenten im letzten Semester, hatte Roger Schwierigkeiten, mit seinen knapp bemessenen Finanzen auszukommen. Für diesen Ferienjob in Kent hatte er eine ziemlich lange Anreise in Kauf nehmen müssen. Da man ihm aber das Fahrgeld ersetzen wollte und die Bezahlung außergewöhnlich großzügig war, fand Roger das Leben lebenswert, als er dort auf dem blumenumsäumten Bahnsteig stand. Er gab seine Fahrkarte einem gnomähnlichen Stationsvorsteher, dessen helle kleine Augen ihn unter buschigen Brauen hervor anblinzelten.
    „Sie können mir wohl nicht sagen, wo Dr. Durger wohnt?“ fragte Quentin.
    Der Stationsvorsteher sah ihn aufmerksam an. „Wollen Sie für den Doktor arbeiten?“
    Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, aber Roger fühlte sich irgendwie in seiner Ehre gekränkt und reagierte ziemlich empfindlich.
    „Ich habe geschäftlich mit Dr. Durger zu tun“, sagte er sehr von oben herab. Der kleine Mann lächelte noch immer, aber sein Blick war um eine Spur kälter geworden.
    „Ja, ich kann Ihnen sagen, wo Dr. Durger wohnt. Wenn Sie aus dem Bahnhof kommen, gehen Sie den Hügel hinab. Die erste Querstraße links, dann die zweite rechts und über den Fluß. Sie können dann linker Hand schon das Haus sehen. Es liegt etwas seitab von der Straße.“
    „Danke.“ Quentin machte zwei oder drei Schritte, und dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, rief er über die Schulter zurück: „Ist es weit?“
    „Ungefähr drei Kilometer.“
    Quentin hatte nicht erwartet, daß es so weit sein würde, und er sah sich nach einem Taxi um. Dann fiel ihm das Geld ein. Ein Jammer, daß er nicht vom Bahnhof abgeholt wurde. Er gab sich einen Ruck. Es war ein freundlicher Julitag, und Kent war im Sommer besonders schön. Entschlossen schwenkte er seinen Koffer und ging die harte, staubige Straße entlang.
     

     
    Als er ungefähr einen halben Kilometer zügig zurückgelegt hatte, blieb er stehen und lehnte sich an ein Gartentor. Er sah sich um. Hier war der Sommer wirklich schön, stellte er fest. Er beobachtete eine Gruppe Hopfenpflücker, die den breiten, dunklen Feldern zustrebten. In der Ferne sah er die unverwechselbaren Spitzen der Darrhäuser. Ein Teil englischer Tradition, der auszusterben drohte, dachte er. Eine Biene summte müßig vorbei. Als er aufschaute, um den Flug des Insekts zu verfolgen, sah er einen Schwarm Kiebitze am Himmel entlang ziehen. Quentin ließ seine Blicke wandern, um alles in sich aufzunehmen. Er holte tief Luft, bevor er sich wieder auf den Weg machte. Er nahm den Duft von Hopfen und Blumen wahr, reif und voll im warmen Wind, und genoß alle Eindrücke der ländlichen Umgebung.
    Er hatte dem alten Stationsvorsteher nicht so genau zugehört, und als er den Dorfpolizisten langsam vorbei radeln sah, fragte er ihn noch einmal nach dem Weg. Der Polizist, ein großer, breitschultriger Mann, musterte Quentin interessiert, fast argwöhnisch.
    „Es ist nicht mehr weit von hier, junger Mann.“ Er hatte eine dunkle Stimme, eine typische Polizistenstimme, dachte der Student. „Was wollen Sie von Dr. Durger?“
    Es spielte keine Rolle, einen Stationsvorsteher schroff zu behandeln, dachte Quentin. Den örtlichen Gesetzeshüter zu verärgern, war jedoch etwas ganz anderes. Es war nicht ratsam, sich den Polizisten zum Feind zu machen, zumal er sechs Wochen in der Gegend bleiben wollte. Er lächelte und sagte: „Ich hoffe, dort Arbeit zu finden, Herr Wachtmeister.“
    „Sie wollen dort arbeiten?“
    „Ja, ich bin Medizinstudent – letztes Semester.“
    „Ach, sieh an. Sie meinen das letzte Semester vor der Promotion?“
    „Stimmt. Sie scheinen einiges über das Medizinstudium zu wissen.“
    „Ein wenig“, schränkte der Polizist ein. „Mein Neffe studiert in Edinburgh.“
    „Tatsächlich?“ Quentin war echt interessiert.
    „Er ist gerade im ersten Semester.“
    „Wie kommt er zurecht?“ Quentin sprach stets gern mit oder von Kommilitonen, auch wenn er sie nicht kannte. Er war von Natur aus arglos und freundlich.
    „Oh, es klappt recht gut. Er sagt jedenfalls, es gefällt ihm. Sein Vater ist sehr stolz auf ihn.“ Der ehrbare Gesetzeshüter zeigte jetzt ein fast väterliches Interesse an Quentin. „Hören Sie auf
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