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0561 - Leichenwagen zur Hölle

0561 - Leichenwagen zur Hölle

Titel: 0561 - Leichenwagen zur Hölle
Autoren: Jason Dark
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besaßen.
    Sie stellte sich in meine Nähe. Ich beobachtete sie. Mit der freien Linken – die Rechte umklammerte eine Griffschlinge – wühlte sie ihr Haar auf. Die Tüten standen auf dem Boden. Sie wurden von den beiden Waden gehalten, an denen auch die modernen, weichen Stiefel endeten. Ich beobachtete das Profil der Frau. Sie besaß eine gerade gewachsenen Nase, nicht zu groß, nicht zu klein. Das etwas vorspringende Kinn verriet Energie und Durchsetzungsvermögen.
    Hatte sie mich gesehen?
    Wir zischten in den Tunnel, huschten über die Schienen hinweg.
    Draußen flogen die Wände vorbei und lösten sich auf in schwarzgraue Schattenwesen.
    Die Wagen zitterten, schaukelten manchmal. Kaum jemand sprach. Nur vorn im Wagen tobten einige Jugendliche und brüllten sich an. Die meisten Erwachsenen starrten zu Boden. Wer einen Sitzplatz bekommen hatte, las Zeitung.
    Die Dunkelhaarige drehte den Kopf. Ihr Blick traf mich voll. Die Glutaugen fixierten mich, sie brannten förmlich auf meinem Gesicht.
    Nur machte mir die Frau nicht den Eindruck, als hätte sie mich erkannt. Ihre Augenbrauen zeigten einen raffinierten Schwung. Der Mund mit der etwas breiten Unterlippe ließ ebenfalls auf viel Sinnlichkeit schließen.
    Dann schaute sie wieder zur Seite, nicht, ohne zuvor knapp gelächelt zu haben.
    Ich mußte drei Stationen weit fahren, dann stieg ich aus. Mit mir die Frau.
    Ich ließ sie vorgehen. Von hinten drängten zwei junge Mädchen, so daß ich abgelenkt wurde. Als ich wieder hinschaute, war die Dunkelhaarige verschwunden.
    So schnell!
    Ich schaute in Richtung Ausgang. Dort hätte sie eigentlich sein müssen, aber da war sie nicht.
    Achselzuckend setzte ich meinen Weg fort und ging den Rest bis zum Hochhaus. Ziemlich ermattet erreichte ich meine Wohnung.
    Einkaufen bedeutet auch Streß. Hut ab vor den Hausfrauen.
    Ein Whisky würde mich durchwärmen. Während ich nippte, wählte ich Sukos Nummer. Mein Freund wohnte nebenan, hob auch schnell ab und lachte, als er meine Stimme hörte.
    »Was hast du?«
    »John, ich habe oft an dich gedacht.«
    »Wie nett.«
    »Und dich bedauert. In London muß die Hölle losgewesen sein.«
    »Jetzt fängst du auch damit an.«
    »Womit?«
    »Mit der Hölle.«
    Suko schaltete schnell. »War irgend etwas?«
    »Komm mal rüber. Ich glaube, wir haben wieder einen Fall am Hals hängen.«
    »Bis gleich.«
    Ich öffnete die Wohnungstür. Suko war schon da und humpelte hinter mir her. Er trug noch immer seinen grauen Trainingsanzug mit den gelben Seitenstreifen.
    »Willst du was trinken?«
    »Nein, aber eine Antwort.« Er hatte sich in einen Sessel gesetzt und das linke, verletzte Bein ausgestreckt.
    »Ich habe einen Gruß aus der Hölle bekommen. Ein Fünfzehnjähriger überbrachte ihn mir.«
    »Du machst Witze?«
    Ich schüttelte den Kopf und stellte mein Glas dabei zur Seite. »Leider nicht, mein Freund.«
    »Was ist geschehen?«
    »Wenn du mir fünf Minuten zuhörst, werde ich es dir erklären.«
    »Bitte.«
    Mein Freund hörte zu, ohne mich einmal zu unterbrechen. Auch er staunte, hob hin und wieder die Schultern oder schüttelte den Kopf. Mein Erlebnis war auch zu unwahrscheinlich.
    »War das alles?« fragte er.
    »Sicher.«
    »Und du lebst?«
    »Sonst säße ich nicht hier.«
    »Was war mit diesem Robby Dobson?«
    »Zumindest keine Halluzination. Er ist von zahlreichen Zeugen gesehen worden. Da kannst du nachfragen.«
    »Das glaube ich dir gern. Nur frage ich mich, wie er so plötzlich verschwinden konnte?«
    »Das möchte ich auch gern wissen.«
    »Er hat sich aufgelöst.«
    »Kann sein.«
    »Und weiter?«
    »Nichts mehr, Suko. Überhaupt nichts. Er löste sich auf wie ein Phantom. Zudem jagte dieser schwarze Leichenwagen von draußen her durch die Scheibe und in das Lokal. Ich hörte keinen Laut. Der Wagen zertrümmerte den Wintergarten. Es hätte schrecklich enden können, ja müssen, aber das war nicht der Fall. Es blieb alles normal. Nur ein kleines Mädchen hatte einen Schatten gesehen.«
    »Wieso gerade es?«
    »Darüber rätsele ich auch nach. Es kann sein, daß Kinder eine andere Beziehung zu gewissen Welten haben.«
    »Könnte stimmen.«
    »Du kannst dir vorstellen, daß ich darüber nachdenke, was auf uns zukommen könnte.«
    »Dieser Junge hat dich gesucht und gefunden. Hat er wirklich nur über den Leichenwagen gesprochen und kein Motiv genannt?«
    »Ja.«
    Suko nickte. »Dann ist er meiner Ansicht nach ein Geist gewesen, der es schafft, sich zu materialisieren und wieder als
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