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0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Laß mich dir helfen. Wenn nicht, frißt die Wunde dein Leben, noch ehe die Auferstehung des Heilands gefeiert wird.«
    »Närrisches Geschwätz«, keuchte der Schulze. »Wir gehen, Arndt.«
    »Junger Sohn des Uneinsichtigen«, fuhr die Alte ungerührt fort. »Eigenartiges sehe ich. Dein Enkel wird länger leben als jeder Mensch, den ich kenne. Und er wird Dinge sehen, die niemand außer ihm sehen kann. Doch du…« Sie verstummte jäh.
    »Was ist mir mir?« fragte Arñdt.
    »Komm schon.« Der Schulze zerrte an seinem Arm.
    »Was ist mit mir?« drängte Arndt noch einmal.
    »Ich… ich kann es dir nicht sagen!«
    Sie wandte sich abrupt um und eilte davon, mit dem gebückten, gebrechlichen Schritt eines sehr alten Menschen.
    »Warte, Großmütterchen!« rief Arndt. »Du bist eine Wahrsagerin, nicht? Was verschweigst du mir?«
    Sie wandte den Kopf, gönnte ihm einen kurzen Seitenblick. »Die Stunde deines Todes«, sagte sie und ließ ihn stehen.
    Arndt konnte ihr nicht folgen, denn sein Vater hielt ihn fest. .
    »Geschwätz«, wiederholte er grimmig. »Eine alte Frau, die bösen Zauber treibt. Wir dürfen nichts davon glauben. Gelobt sei Jesus Christus, unser Herr. Laß uns flugs zum Pfaffen eilen, daß er uns hilft, falls die Alte uns mit ihrem bösen Zauber belegt hat. Sie ist eine verfluchte Hexe, eine Buhlin des Teufels!«
    »Sie sah mir eher harmlos aus«, sagte Arndt nachdenklich, während sie zum Dorf zurückgingen.
    »Kein Zigeuner ist harmlos! Mit ihren schmeichlerischen Reden oder mit ihren bösen Zaubertricks verderben sie die Herzen der Unschuldigen. Und hast du nicht die bösen Zauberzeichen gesehen, die sie auf ihr Gewand gestickt hat? Vergiß, was sie gesagt hat. Es bedeutet nichts.«
    Doch Arndt war sich dessen nicht so sicher.
    ***
    Es ließ ihm keine Ruhe. Die ganze Nacht über mußte er an das schöne Mädchen denken. Aber auch die Worte der alten Frau gingen ihm nicht aus dem Sinn.
    Dein Enkel wird länger leben als jeder Mensch, den ich kenne. Und er wird Dinge sehen, die niemand außer ihm sehen kann.
    Wenn das stimmte, wenn Arndt eines Tages einen Enkel hatte, dann hieß das doch, daß er zuvor auch einen Sohn haben würde. Oder, wenn Gott es so wollte, zur Not eben auch eine Tochter.
    Das hieß jedoch auch, daß die Stunde seines Todes, welche die alte Zigeunerhexe ihm nicht hatte sagen wollen, noch fern war. Denn fünfzehn, sechzehn Sommer würde es schon wenigstens währen, bis Arndt einen Enkel bekommen konnte -, wenn sein Sohn sich beeilte. So lange würde er also auf jeden Fall noch leben.
    Dennoch bedrückte ihn die Vorstellung, dann vielleicht tatsächlich schon sterben zu müssen. Und noch mehr bedrückte es ihn, daß die Alte seinem Vater den baldigen Tod prophezeit hatte, wenn er nichts für seinen ständig schmerzenden und sich immer entzündenden Beinstumpf tun ließ.
    »Narretei und heidnisches Hexenwerk«, hatte der Pfaffe dazu gesagt. »Diese Hexe hat der Teufel auf die Welt geschickt. Und er wird sie auch wieder holen, während ihr nach eurem Tode das Himmelreich erleben werdet, so ihr ein gottgefälliges Leben führt und euch nicht mit diesem Zigeunergesindel einlaßt, das an Zauberei glaubt statt an die Wunder des Herrn! Eitel ist’s, was sie treiben, und dem Herrn gar nicht gefällig. Sie leben in Sünde! Aber die Strafe des Herrn wird sie ereilen.« Und dann hatte er einen Segen über Vater und Sohn gesprochen.
    Nur klang sein Latein ein wenig wie die Worte, die der Zigeuner vor Stunden im Dorf gesprochen hatte, als er mit dem Alten stritt…
    Nein, es ließ Arndt alles keine Ruhe. Er konnte nicht schlafen, wälzte sich auf seinem Lager unruhig hin und her. Vielleicht war ja an den Worten der alten Hexe doch etwas dran. Zigeuner hatte Arndt heute zum ersten Mal gesehen, aber auch in der Stadt sollte es doch eine Weise Frau geben, die die Zukunft sah. Und eine andere in den Wäldern, die angeblich mit allerlei Kräutern Wunder vollbringen konnte. Der Pfaffe sah und hörte das natürlich gar nicht gern und wetterte dagegen.
    Doch wenn die Zigeuner wirklich so gottlos, heidnisch und böse waren - wie konnte dann jenes Mädchen so himmlisch schön sein? Böse Menschen sind häßlich, das wußte schließlich jeder. Eine scheußliche Seele konnte niemals in einem schönen Körper wohnen. Nur der Teufel selbst brachte das fertig, um die Menschen zu täuschen. Doch Arndt konnte sich nicht vorstellen, daß der Teufel ausgerechnet mit einer Horde Zigeuner durch das Land zog. Der hatte
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