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0524 - Er raubte die mordende Göttin

0524 - Er raubte die mordende Göttin

Titel: 0524 - Er raubte die mordende Göttin
Autoren: Jason Dark
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konnten. Auch dachte er darüber nach, ob er Phädra verteidigen sollte. Er konnte die Häscher bestimmt für eine Weile aufhalten und ihr die Flucht ermöglichen, doch er würde für sie sterben, ohne sie je besessen zu haben.
    Nein, das war auch nicht gut.
    Meneris zog sich wieder zurück. Er ging rückwärts, drehte sich um – und erschrak.
    Vor ihm stand Phädra. Sie hatte den Becher zum Mund geführt und wollte daraus trinken.
    Er wollte ihr zurufen, noch zu warten, doch Phädra trank bereits.
    Meneris kam sich vor, als hätte man ihn geschlagen. Seine Lippen zuckten, er schüttelte den Kopf, aus seinem Mund drang ein schwere Ächzen, und er sah, wie die Göttin zitterte.
    Rasch lief er hin.
    Als Phädra anfing zu schwanken, war er so nahe bei ihr, daß er sie auffangen konnte.
    Schräg und gekippt lag sie auf seinen Armen, doch den Becher mit dem Todestrank hielt sie noch fest. Dabei schaute sie Meneris an. Ihre Lippen glänzten, als wären sie mit Öl eingeschmiert worden. Einige Tropfen waren über die Unterlippe gelaufen und rannen jetzt an ihrem Kinn entlang.
    »Phädra!« stöhnte er. »Meine Güte, du hast… du hast es wirklich getan?«
    »Ja, ich habe ihn getrunken.« Sie lachte leise. In ihren Augen lag ein fast überirdischer Glanz. »Ich werde jetzt einen anderen Weg gehen, einen, der einer Göttin würdig ist. Ich kann dir nur sagen, leere den Becher bis zum Grund. Nimm den Rest zu dir, nur so kannst du mich wiedersehen, später, irgendwann…«
    »Wann, wie…?«
    »Ich kann es dir nicht sagen. Du mußt mir vertrauen, nur vertrauen, hörst du?«
    Er schaute an ihr vorbei und sah die verwesten Gestalten auf dem Boden liegen.
    Sollte er ihr tatsächlich vertrauen? Konnte er das überhaupt?
    Einer Mörderin? Sie schwieg jetzt. Die Frau befand sich in einem tranceähnlichen Zustand. Wahrscheinlich stand sie schon auf der Schwelle zur Totenwelt. Jedenfalls schaffte sie es nicht mehr, auch nur ein Wort zu sagen. Ihr Blick war so anders geworden, fast wirkte er gebrochen.
    Die Häscher hatten das Grabmal fast erreicht. Jemand rief mit lauter Stimme. »Ich sehe eine Fackel. Dort muß es sein. Kommt mit, schnell!«
    »Deine letzte Möglichkeit, Meneris«, wisperte die schöne Phädra.
    »Deine allerletzte…«
    Er verzog die Lippen, atmete durch die Nase die schlechte und auch staubige Luft ein, und gleichzeitig wurde die Frau in seinen Armen ungemein schwer.
    Da wußte er Bescheid.
    Sie war tot!
    Phädra hatte ihr Versprechen eingelöst und war auf die sehr lange Reise gegangen.
    Wie lange blieb ihm noch, sich zu entscheiden? In seiner Seele tobte ein regelrechter Kampf. Er war hin- und hergerissen. Sollte er den Trank zu sich nehmen?
    Wie im Krampf hielt sie die Schale fest. Die dicke, ölige Flüssigkeit bedeckte den Boden und schien an den Rändern hochzukriechen.
    Noch zögerte Meneris. Er blickte zum offenen Eingang. Bewegte sich dort nicht schon etwas? Waren sie da? Was würden sie unternehmen, wenn sie ihn mit der Toten fanden? Würden sie ihm glauben?
    Er kannte sie, er wußte, wie grausam sie waren, denn sie handelten auf einen Befehl hin, den der Hohepriester ihnen erteilt hatte. Der wiederum war bekannt für seine grausamen Foltermethoden. Er würde versuchen, die Wahrheit aus Meneris herauszubrennen.
    Es gab für ihn eigentlich nur die Möglichkeit, auf Phädra zu vertrauen und den Becher zu leeren.
    Er hörte schon das Klirren der Waffen. Untermalt von den rauhen Stimmen der Krieger.
    Es wurde Zeit…
    Meneris ließ die Tote zu Boden sinken. Zuvor hatte er ihr den Becher aus den Händen genommen. Direkt vor seinen Füßen sank die schöne Frau, die sich selbst als Göttin bezeichnete, nieder.
    Sie blieb auf dem Rücken liegen, so daß er in ihr Gesicht schauen konnte.
    Im Schein der Fackeln wirkte es wie eine Totenmaske, die rot und schwarz angemalt worden war. Der Mund war nicht ganz geschlossen, aber kein Atem drang mehr über die Lippen. Phädra befand sich in einem anderen Reich.
    Meneris hörte seinen eigenen Herzschlag überlaut. Es war die Angst, die Furcht vor dem Unabwägbaren. Konnte er dieser schönen Göttin tatsächlich vertrauen?
    Er mußte es.
    Meneris hob die Schale an schloß halb die Augen und schaute dabei auf den Spiegel der dunklen Flüssigkeit, die ein wenig nach Minze roch.
    Die Flüssigkeit rann dem Rand entgegen und damit seinem Mund. Im nächsten Augenblick gab es kein Zurück mehr für ihn, als sie den Mund ausfüllte und er sie schluckte.
    Auch wenn er es gewollt
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