051 - Die gelbe Schlange
ringsherum alles ab. »Sie bleiben einstweilen hier, ich muß Fing Su Ihre Ankunft melden.«
Als Narth allein war, ging er unruhig in dem kleinen Raum hin und her. Er war gespannt, ob Leggat auch anwesend sein würde. Hoffentlich war die Aufnahmezeremonie nicht zu grotesk! Plötzlich hörte er, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte, und Spedwell kam herein.
»Sie können Ihren Mantel hierlassen, wir haben nur ein kleines Stück zu gehen.«
Wie befohlen, hatte Mr. Narth Frack und weiße Binde angelegt, und jetzt zog er ein Paar weißer Glacehandschuhe aus der Tasche und streifte sie über.
»Gehen wir!« erklärte Spedwell, drehte das Licht aus und führte ihn hinaus.
Sie gingen einen kiesbedeckten Weg entlang, der an einer Treppe endete. Diese schien tief in die Erde hinabzuführen. Oben am Eingang zu den Stufen standen zwei regungslose, unheimliche Gestalten. Als die beiden näher kamen, wurden sie angerufen. Narth verstand die Sprache nicht.
Spedwell senkte seine Stimme und zischte etwas. Dann faßte er Narth am Oberarm und stieg mit ihm die Treppe hinunter. Vor einer zweiten Tür wurden sie wieder aufgehalten, und wieder antwortete Spedwell. Dann wurden sie eingelassen. Mit festem Griff führte Spedwell ihn in eine lange, phantastisch geschmückte Halle. Aber jetzt, bildete Narth es sich nur ein oder zitterte Spedwells Hand wirklich?
Vor ihnen lag ein langer Gang, und bei dem, was er nun sah, hätte Stephen fast einen hysterischen Lachanfall bekommen. Auf jeder Seite des Ganges waren Reihen und Reihen von Chinesen, und jeder dieser Chinesen war in einen schäbigen, schlechtsitzenden Frack gekleidet. Die Frackhemden waren nur vorgetäuscht - statt dessen trugen sie nur Einsatzstücke. Stephen sah, daß bei einem Mann das Ende des Chemisetts herausguckte und seitlich den braunen Körper des Mannes freiließ. In jedem der Vorhemdchen funkelten zwei blitzende Steine als Hemdknöpfe, und man brauchte nicht vom Theater zu sein, um sie als Imitationen zu erkennen. Feierlich und furchterregend stierten sie ihn an, diese seltsamen Gespenster in ihrer lumpigen Gesellschaftskleidung.
Mit halboffenem Munde starrte Narth von einer Seite auf die andere. Alle diese Chinesen trugen weiße Halsbinden, die auf merkwürdige Weise zusammengeknüpft waren, jeder hatte die Hände in weißen Baumwollhandschuhen auf die Knie gelegt. Dunkel kam ihm die Erinnerung, daß er etwas Ähnliches schon einmal gesehen hatte... Damals war es eine schwarze Sängertruppe, die in der gleichen Haltung dagesessen hatte... Ebenfalls die weißbehandschuhten Hände auf den Knien...
In vier großen blauen Vasen brannte chinesisches Räucherwerk, und der süßliche Dunst erfüllte den ganzen Raum.
Jetzt blickte Stephen geradeaus. Hinter einem weißen Altar saß auf einem Thron Fing Su selbst. Über dem Frack - seine Diamantenknöpfe waren allerdings echt - trug er ein rotseidenes Gewand. Auf seinem Haupt erhob sich eine riesige goldene Krone, die mit kostbaren, funkelnden Steinen besetzt war. Seine Rechte hielt, einen goldenen Stab, die Linke eine glitzernde Kugel, die im Licht der opalfarbenen Lampen aufleuchtete. Plötzlich brach Fing Sus Stimme das Schweigen.
»Wer ist es, der kommt, mit den ›Freudigen Händen‹ zu sprechen?«
Narth sah das Symbol der Gesellschaft, die vergoldeten Hände, über Fing Sus Haupt schweben.
Aber bevor er dieses Bild noch richtig betrachtet hatte, kam Spedwells Antwort:
»O Sohn des Himmels, der du ewig leben mögest! Dieser, dein geringster Sklave, kommt, um deinen Thron anzubeten!«
Unmittelbar nach diesen Worten, wie von einem unsichtbaren Dirigenten geleitet, begannen die gelben Männer einen Chorgesang.
Sie hörten ebenso abrupt auf wie sie begonnen hatten.
»Laß ihn näher kommen!« befahl Fing Su.
Spedwell war verschwunden; vielleicht stand er jetzt hinter ihm, vermutete Narth, wagte aber nicht, sich umzudrehen. Zwei dieser gelben Männer im Frack führten Narth jetzt langsam durch die Halle. Flüchtig bemerkte er, daß das Beinkleid des Mannes zu seiner Rechten um eine Handbreit zu kurz war. Aber für Narth war die Sache jetzt nicht mehr komisch. Ein Gefühl panischer Angst bedrückte ihn, und ihn quälte die Vorahnung eines schrecklichen Ereignisses, das seine Phantasie sich nicht auszumalen vermochte. Die Lust zu lachen war ihm längst vergangen, obwohl seine Augen zu beiden Seiten des Ganges die absurdesten Dinge wahrnahmen.
Und dann sah Stephen den Altar mit dem Diamantenrahmen, und die
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