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0507 - Zwischenspiel auf Tahun

Titel: 0507 - Zwischenspiel auf Tahun
Autoren: Unbekannt
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zu.
    Ihr Schwanz war lang und sehr beweglich. Sie vermochte mit ihm Zeichen zu geben, und manchmal formte sie damit sogar deutlich lesbare Buchstaben, wenn sie sich verständlich machen wollte oder jemand den Tonfall ihrer melancholischen Stimme nicht interpretieren konnte.
    Gesine hatte große, dünne und zusammengefaltete Ohren.
    Wenn Dr. Rotkel mit ihr schimpfte, pflegte sie diese schamvoll vor die Augen zu legen, was den Choleriker fast immer sofort dazu brachte, seine Strafpredigt unverzüglich abzubrechen und das arme Tier zu streicheln. Daß Gesine drei Beinprothesen hatte, verdankte sie ausschließlich der ärztlichen Kunst ihres Herrn und Gebieters. Raumfahrer hatten sie einst von ihrem Heimatplaneten mitgebracht, da sie die Ansicht vertraten, gerade die scheinbar unendliche Traurigkeit der Kuh könne die armen Kranken auf Tahun aufheitern und erfreuen. Die Erfahrung hatte gezeigt, daß diese absurde Ansicht richtig war.
    Für Dr. Truc Rotkel war Gesine, als sie auf Tahun eintraf, so etwas wie eine Offenbarung. Er entschied sich sofort für Gesine, und sie wurde von ihm ins Herz geschlossen.
    Wenn Gesine sich aufregte, und das war oft der Fall, oder wenn sie traurig war, was nicht weniger oft vorkam, trat aus den Drüsen zu beiden Seiten des Nackens eine klare, aromatisch duftende Flüssigkeit hervor, deren Zweck bisher auch von Rotkel noch nicht erkannt worden war. Da das Sekret sich in das seidige Plüschfell mischte, roch Gesine tagelang nach den wohlriechenden Spuren ihrer Traurigkeit.
    An diesem Tag hatte der Chefarzt das leitende Personal im Konferenzzimmer der Klinik zusammengerufen, um sich ihre Lageberichte anzuhören. Der Raum lag zu ebener Erde im Hauptgebäude, das von einem herrlichen Park umgeben war. Mit einem Blick durch das Fenster überzeugte sich Rotkel davon, daß Gesine in der Nähe war. Sie graste den Rasen ab, was jedoch niemanden weiter störte. Nicht nur Rotkel liebte die merkwürdige Kuh. Jeder liebte sie.
    Oberschwester Merceile erhielt von Rotkel die Erlaubnis, mit der Berichterstattung zu beginnen.
    Merceile, die nach ihrer Genesung auf Tahun geblieben war, nahm kein Blatt vor den Mund. Sie beschwerte sich über die uneinsichtigen Patienten, die der Verdummung anheimgefallen waren und kaum noch gebändigt werden konnten. Sie schlug vor, schwierigere Fälle zu isolieren und von männlichem Pflegepersonal betreuen zu lassen. Tag und Nacht seien die Schwestern auf den Beinen und bekämen kaum noch Schlaf, nur weil sie ständig darauf aufpassen mußten, daß die Patienten nicht ihre Betten verließen und davonrannten. Es war in anderen Hospitälern schon zu regelrechten Revolten gekommen, und jeden Augenblick, so argumentierte Merceile energisch, könne es auch hier soweit sein.
    Rotkel wußte das selbst genau, aber er glaubte es in seiner Stellung als Chefarzt nicht verantworten zu können, einem Untergebenen recht zu geben.
    Aus Prinzip also, nicht aus Überzeugung, widersprach er und versuchte, die komplizierte Lage zu vereinfachen. Es war nur gut, daß alle Anwesenden genau wußten, wie er wirklich dachte.
    Trotz seiner Gegenargumente, so wußten sie weiter, würde er alles tun, zumindest die Hälfte der eingebrachten Forderungen zu erfüllen, und erst wenn das geschehen war, würde er bei der nächsten Besprechung auf den Erfolg hinweisen und bescheiden den Dank für seine Verdienste entgegennehmen. Denn nach so langer Zeit konnte ja niemand mehr wissen, wer ursprünglich den Verbesserungsvorschlag gemacht hatte.
    „Nun übertreiben Sie nur nicht, Merceile.
    Ich weiß ja, wie schwer Sie es haben, aber was kann denn ich dafür? Wir erhalten keinen Nachschub an Personal mehr, dafür treffen täglich neue Patienten ein. Wir müssen versuchen, damit fertig zu werden. Setzen Sie mehr Roboter ein. Und verschließen Sie nachts die Türen der Krankensäle. Vor den Fenstern könnten Robotwachen aufgestellt werden - aber um ehrlich zu sein, ich glaube nicht an eine Revolte oder so einen Unsinn. Die Burschen sollen froh sein, wenn sie im Bett liegen und faulenzen können."
    Das war natürlich nicht seine wahre Meinung, aber seiner Ansicht nach war es absolut verkehrt, einmal einem anderen Menschen beizupflichten. Das würde, so meinte er, seine Autorität untergraben. Seine pseudopsychologische Einstellung zwang ihn zu dieser Verhaltensweise.
    Zum Glück wußten das seine Mitarbeiter.
    Der l. Oberarzt Dr. Illiw Ztlow räusperte sich. Schon lange hatte er, natürlich vergeblich, ein Auge
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