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0498 - Wenn Götter morden

0498 - Wenn Götter morden

Titel: 0498 - Wenn Götter morden
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wild hupen, wenn andere Vekehrsteilnehmer wie Fußgänger, Busse, andere Autos oder gar Eselskarren seinen vehementen Vorwärtsdrang hemmten. Dafür nahm er es mit dem Bremsen nicht so genau, und weil er beide Hände zum Gestikulieren brauchte, während er die mannigfaltigen Dienste seiner zahlreichen Vettern anpries, hatte er auch Schwierigkeiten mit dem rechtzeitigen Lenken. Indessen schien die verkehrsteilnehmende Bevölkerung von ihm und seinen Kollegen diesen Fahrstil gewöhnt zu sein; man wich vorsichtshalber rechtzeitig zur Seite.
    Nicole, selbst eine temperamentvolle Fahrerin, war kreidebleich, als sie endlich aussteigen konnte. Zamorra hatte vorsichtshalber während der Fahrt die Augen geschlossen gehalten. Tendyke grinste.
    Es war kein Problem gewesen, zum Bahnhof zu kommen. Es war auch kein Problem, daß sie eineinhalb Stunden zu spät kamen - der Zug hatte noch größere Verspätung.
    Das Problem war, ihn zu finden.
    Nach der Kamikazefahrt seelisch etwas angeschlagen, konnten sie lediglich Hinweistafeln in arabischer Schrift entdecken. Vielleicht gab es auch welche in europäischen Lettern, nur entzogen sich die ihren recht unkonzentrierten Blicken. Zamorra, mit einem Sprachtalent par excellence gesegnet, konnte sich zwar in lückenhaftem Arabisch radebrechend verständlich machen und fragen; auf englisch klappte es noch besser, aber so viele der auskunftsfreudigen Ägypter er auch fragte, so viele unterschiedliche Antworten erhielt er. Der ersten Auskunft zufolge sollte der Zug nach Luxor von Bahnsteig 5 abfahren, ein Nebenmann widersprach sofort und behauptete, es sei Bahnsteig 6. Ein dritter verwies auf 9, fragte selbst noch einmal nach und gestand, den Zielort falsch verstanden zu haben; der Zug nach Luxor fahre selbstverständlich von Bahnsteig 16 ab, worauf der auskunftssuchende Fremde Gift nehmen könne.
    Zamorra verzichtete darauf, die Probe aufs Expempel zu machen; der Zug rollte schließlich auf Gleis 10 aus dem Bahnhof, um die rund 670 Kilometer bis Luxor unter die Räder zu nehmen.
    Tendyke hatte zwar ein komplettes Abteil für sie gebucht, bezahlt und auch bestätigt bekommen. Das änderte aber nichts daran, daß bereits bei ihrer Ankunft zwei andere Fahrgäste im Abteil saßen und es partout nicht verlassen wollten; und bei späteren Halts vergrößerte sich die Schar, so daß sich schließlich in einem nach europäischen Begriffen für sechs Personen geeigneten Abteil deren zehn tummelten. Natürlich mit allerlei Gepäck, das teilweise auch deutliche Zeichen recht lebendigen Inhalts zeigte. So war zumindest am kommenden Morgen das Frühstücksei für jedermann gesichert; die Eigentümer der gackernden Gepäckstücke waren damit ebenso freigiebig wie mit Datteln, Honig, Fladenbrot und Knoblauch. Zamorra und Nicole verzichteten dankend auf die rohen Eier; Tendyke gab sich wesentlich unkomplizierter und dankbarer. Angst vor einer Salmonelleninfektion hatte er sichtlich nicht…
    »Tut mir leid, daß es mit der Reservierung nicht so funktioniert hat, wie ich mir das vorgestellt habe«, sagte Tendyke, nachdem sie eingestiegen waren und sich mit den bereits vorhandenen Fahrgästen notgedrungen arrangiert hatten; mit Gewalt hinausbefördern konnte und wollte sie sich schließlich auch nicht. Sie unterhielten sich in einem schnell und teilweise mitten im Satz wechselnden Rhythmus von englisch, französisch, spanisch und deutsch. Die Mitreisenden, von denen sie nicht wußten, wie sprachkundig sie waren, brauchten schließlich nicht alles zu verstehen, was beredet wurde, und sollten ruhig ihre Schwierigkeiten damit haben.
    »Leider gehen hier nicht nur die Uhren etwas anderes als im Abendland, auch bei die Gepflogenheiten unterscheiden sich in einigen«, fuhr Tendyke fort. »Sonst könnten wir uns auch den Sprach-Zirkus sparen. Und zu dem könnte Nicole sich wieder ihrer Textilien entledigen, ohne gegen Sitte und Moral zu verstoßen.«
    Nicole, die sich in ein hochgeschlossenes, langärmeliges und bis zu den wadenhohen Stiefeln reichendes Kleid gehüllt und ein buntes Kopftuch umgebunden hatte, seufzte kopfschüttelnd. »Sag mal, Rob, bist du neuerdings völlig auf nackte Frauen fixiert? Reicht dir die Vorstellung aus dem ›Holiday Inn‹ nicht?«
    »Man gewöhnt sich so leicht daran«, bemerkte Tendydke. »Nachdem unsere Florida-Orkan-Flüchtlinge und -Obdachlosen, die wir nach der ›Andrew‹-Katastrophe fast ein Vierteljahr lang auf unserem Anwesen beherbergten, fortgingen, haben meine
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