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0422 - Der Pirat und die Hexe

0422 - Der Pirat und die Hexe

Titel: 0422 - Der Pirat und die Hexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Trooper versunken und in der Tiefe verschwunden. Alworthy behauptete, man müsse schon Tauchglocken einsetzen, um noch einmal an die Reste herankommen zu können. Aber der Captain zweifelte daran, daß die Admiralität einen solchen Aufwand genehmigen würde.
    In den Akten würde lediglich stehen, daß ein Piratenschiff in internationalen Gewässern nach kurzem Gefecht vernichtet worden war und daß es keine Überlebenden gab. Das reichte aus. Und solange die Nationalität des Schiffes nicht feststand und auch keine Botschaft Protest erhob gegen die Versenkung des Dreimasters, würde niemand mehr hinterher krähen.
    Commander Siccine hätte zufrieden sein können.
    Er war es nicht.
    Ein wenig belastete es ihn, daß keiner der Piraten überlebt haben konnte. Aber bei der gewaltigen Explosion, die erfolgt war, wunderte das niemanden. Immerhin – wenn sie Menschen gewesen waren, so waren sie mehrfach gewarnt worden, auf welche Kraftprobe sie sich mit welchem Risiko einließen; sie hatten selbst die ersten Warnschüsse noch ignoriert und statt dessen angegriffen. So mußten sie sich ihr Schicksal selbst zuschreiben.
    Aber wenn sie keine Menschen waren … Gespenster … dann spielte ohnehin nichts mehr eine Rolle.
    Doch an diese Gespenster wollte niemand mehr glauben. Das Schiff mußte echt gewesen sein. Es war auf den Radarschirmen erschienen, es war von den Waffen der ANTARES beschädigt und zerstört worden. Das widersprach jenen Erfahrungen, die man vor Jahren mit dem schwarzen Segler vor der französischen Atlantikküste gemacht hatte. Selbst Zamorra, der bei weitem mehr Erfahrungen mit Geistern aufzubieten hatte und dessen letzte Auseinandersetzung mit Gespenstern, die aus der Vergangenheit kamen, erst ein paar Tage zurück lag, konnte sich nicht vorstellen, daß diese Gespenster derart stofflich wurden, daß sie mit normalen Mitteln angegriffen werden konnten.
    Später saßen sie in der Offiziersmesse zusammen.
    Laut Dienstplan war momentan der 2. Offizier Kommandant der ANTARES. Enders und der Captain hatten Freiwache. Enders wirbelte allerdings noch freiwillig an Bord herum und arbeitete hier und da mit oder gab Anleitungen. Die Reparaturarbeiten am Schiff machten Fortschritte.
    Siccine gönnte sich die Freizeit nach Dienstplan. Nach einem verblüffend opulenten Abendessen, das nicht aus der Konserve kam, ließ er Getränke auffahren. Sie hatten eine Ecke für sich in Beschlag genommen; die Kapitänskajüte erschien Siccine als etwas zu klein für die Wiedersehensfeier. Masterson, der Leitende Ingenieur, ließ sich kurz sehen, begrüßte die Gäste herzlich und tauschte ein paar Erinnerungen aus, ehe er sich wieder zurückzog, um eine Mütze Schlaf zu nehmen. Ein paar Offiziere hockten auf der anderen Seite der Messe zusammen, spielten Schach oder unterhielten sich. Zuweilen sahen sie zu der Dreiergruppe herüber, aber sie gesellten sich nicht zu ihnen. Zwischen ihnen und Zamorra gab es nicht das Band der Freundschaft, das zwischen ihm und Siccine geknüpft war.
    »Es ist gut, daß der Pirat das russische Schiff nicht angegriffen hat«, sagte Siccine und füllte Whiskey nach. »Es hätte Ärger geben können. Stellt euch die Sache einfach mal vor: ein russisches Forschungsschiff wird von Unbekannten überfallen und versenkt, und ein Kreuzer der NATO ist in unmittelbarer Nähe. Der Verdacht wäre doch erst mal auf uns gefallen … man hätte behauptet, wir hätten den Russen angegriffen.«
    Nicole schüttelte den Kopf. »Der Kalte Krieg ist doch vorbei«, sagte sie.
    Der Captain räusperte sich. »Sicher. Aber neuerdings scheint es Mode geworden zu sein, den USA grundsätzlich erst einmal die Rolle des Bösewichtes anzuhängen. Früher waren die Sowjets die Bösen, jetzt ist es ins andere Extrem umgeschlagen. Ob libysche Flugzeuge über dem Mittelmeer abgeschossen werden oder ein Bombenangriff auf Ghaddafis Hauptquartier geflogen wird, ob wir in Panama intervenieren – erst mal sind wir die Bösen. Keiner fragt mehr, ob die Libyer auf Angriffskurs flogen, ob in Ghaddafis Hauptquartier terroristische Pläne ausgeknobelt wurden oder ob wir versuchten, einen Rauschgift-Obergangster dingfest zu machen … dabei wollen wir alle, ob im Osten oder im Westen, doch nur eines: Ruhe und Sicherheit.«
    Zamorra atmete tief durch. Er kannte Siccine; was wie eine Propaganda-Rede klang, war keine. Das hatte der Captain nicht nötig. Er vertrat seine ehrliche Meinung, ohne Rückversicherung und ohne Schnörkel und Pathos.
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