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04

04

Titel: 04
Autoren: Fred
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erste Mal hatte ich mich zu Tode gefürchtet. Ausgerechnet ich hatte Angst vor Toten.
    Ich hatte mich immer noch nicht richtig daran gewöhnt, aber immerhin ergriff ich nicht mehr die Flucht, um mich in der Einfahrt zu verstecken.
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    „Hm", machte ich.
    Sie zog ihren Kopf aus der Tür und sah mich erstaunt an. „Du hast eine Menge Schuhe." „Danke."
    „Mehr als Payless."
    Ich unterdrückte einen Schauder. „Danke." Wir starrten uns an. Sie war klein, ungefähr eins fünfzig groß, und sie hatte rotblonde Haare, die sie wie die bezaubernde Jeannie trug. Ihre Augen waren blau, ihr Gesicht und ihre Hände bedeckten karamellfarbene Sommersprossen. Sie trug eine verwaschene Jeanshose, einen popelgrünen Rollkragen, ausgetretene, flache Schuhe und keine Socken. Auch auf ihren Füßen sah ich Sommersprossen.
    „Ich will nicht . . äh . . stören, aber könnte es sein, dass ich tot bin?"
    „Es tut mir wirklich leid, dir das sagen zu müssen", antwortete ich, „aber ja, du bist tot."
    Sie setzte sich auf den Fußboden und weinte ungefähr zehn Minuten lang. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Ich konnte wohl kaum gehen -
    obgleich ich ihr im ersten Moment am liebsten ein bisschen Ungestörtheit gegönnt hätte. Aber ich hatte Angst, dass sie es falsch auffassen könnte.
    Berühren konnte ich sie nicht, denn meine Hände fassten durch Geister hindurch - ein schreckliches Gefühl, so als würde man in ein Bad mit Eiswasser tauchen. So konnte ich sie noch nicht einmal tröstend in die Arme nehmen. Und ein „Es wird alles wieder gut" schien mir nicht angebracht zu sein, ebenso wie einfach mit meinen Tagebucheintragungen fortzufahren.
    Also blieb ich auf meinem Schreibtischstuhl sitzen, sah sie an und wartete.
    Nach einer Weile sagte sie: „Tut mir leid."
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    „Du hast allen Grund zum Weinen."
    „Ich wusste es - eigentlich. Ich habe wohl einfach .. gehofft, dass es nicht wahr wäre. Aber keiner kann mich sehen, du bist die Einzige. Weder Rettungssanitäter noch die Typen im Leichenschauhaus, selbst mein Freund konnte mich nicht sehen."
    „Woher wusstest du, dass du hierhin kommen konntest?"
    „Ich . . ich weiß nicht."

    „Okay." Verdammt! Wenn es nicht einmal die Geister selbst wussten, würde es mir wohl nie jemand verraten. War da vielleicht ein Schild an der Haustür („Sie sieht Tote"), das nur die Toten sehen konnten? Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte, aber ich war dennoch neugierig.
    Sie seufzte. „Ich hatte gehofft, du würdest mir einen Gefallen tun."
    „Klar", sagte ich sofort. Aus Erfahrung wusste ich, dass es einfacher war (und die Dinge beschleunigte), wenn ich ihnen das gab, was sie wollten. Wenn nicht, würden sie einfach bleiben und mich in den unpassendsten Momenten ansprechen. Sind Sie schon einmal von einem Geist beim Haare waschen gestört worden? Oder beim Sex mit Ihrem Freund? Wie ich schon sagte: unpassend. „Was kann ich für dich tun?"
    „Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich gerade aus dem Haus gerannt war, in dem meine Wohnung liegt. Meine Wohnung und die meines Freundes. Das war das letzte Mal, dass mich noch jemand außer dir sehen konnte. Wir hatten uns schlimm gestritten, weil er mir vorwarf, ich würde ihn betrügen. Aber das stimmt nicht, ich schwöre!"
    „Okay."
    „Wenn du vielleicht zu ihm gehen könntest? Und es ihm sagen würdest? Mit dem Typen bin ich nur zwei Mal Abendessen gegangen. Ich hatte nicht vor, etwas mit ihm anzufangen. Ich
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    liebe nur Denny und mache mir Vorwürfe, dass ich es nicht gemerkt habe, bevor ich vor diesen .. na ja . . gelaufen bin. Ich darf gar nicht daran denken, dass Denny nun vielleicht bis an sein Lebensende denkt, dass das Letzte, was ich getan habe, war, ihn zu betrügen. Wenn ich daran denke, bringt es mich um den Schlaf." Sie machte eine Pause. „Nicht, dass ich tatsächlich schlafen könnte. Glaube ich zumindest. Aber der Gedanke quält mich wirklich.
    Ehrlich."
    „Das mache ich gerne für dich. Als Erstes morgen Nacht."
    „Ich wohne in Eagan", sagte sie. Dann gab sie mir eine ausgezeichnete Anfahrtsbeschreibung, die ich mir in mein Tagebuch notierte.
    „Kein Problem. Schon erledigt."
    „Vielen lieben .. " Und dann sah sie sehr überrascht aus und wurde schlagartig unsichtbar. Auch daran war ich gewöhnt. Immer wenn sie das, was ihnen auf dem Herzen lag, losgeworden waren, konnten sie gehen -
    wohin auch immer.
    Das arme Ding. Mir kamen die unterschiedlichsten Fälle unter. Wenigstens
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