Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Mittel der Heilung.«
    »Was zur Hölle redest du da?« Sie sah, wie seine Hand sich ballte.
    »Wenn Menschen, die dem Abhängigen wichtig sind, es erfahren. Seine Familie. Seine Arbeitgeber. Damit er erst mal total ins Leere fällt. Dann ...«
    Justin packte sie am Handgelenk und drehte ihr den Arm herum. »Daran brauchst du nicht mal zu denken. Das sag' ich dir. Denn wenn du das tust, Sid, ich schwor's dir - wenn du das tust ...«
    »Hör auf! So kann es doch nicht weitergehen. Was gibst du jetzt dafür aus? Fünfzig Pfund am Tag? Hundert? Oder mehr? Justin, wir können ja nicht mal mehr auf ein Fest gehen, ohne daß du ...«
    Abrupt ließ er ihren Arm los. »Dann steig aus. Such dir einen anderen. Laß mich in Frieden.«
    Ja, das war die Antwort, die einzige Antwort. Aber Sidney wußte, daß sie das nicht schaffen würde, und dachte voll Selbstverachtung, daß sie es wahrscheinlich nie schaffen würde, sich von ihm zu lösen.
    »Ich will dir doch nur helfen.«
    »Dann halt die Klappe. Laß mich jetzt da rübergehen, das Zeug besorgen, und dann hauen wir ab.«
    Er stieß die Tür auf und knallte sie hinter sich zu.
    Sidney ließ ihn bis fast zur Mitte des Platzes gehen, ehe sie ebenfalls ausstieg. »Justin!«
    »Bleib, wo du bist.« Seine Stimme klang ruhiger, aber nicht weil er sich tatsächlich ruhiger fühlte, das wußte sie, sondern weil der Platz voller Menschen war und Justin Brooke nicht der Mensch war, der gern Aufsehen erregte.
    Sie achtete nicht auf seine Worte, sondern lief ihm nach, obwohl sie wußte, daß sie genau das nicht tun sollte, ihm noch dabei helfen, sich die Drogen zu besorgen. Sie redete sich ein, wenn sie nicht da wäre, um aufzupassen, würde er vielleicht verhaftet oder betrogen werden oder es würde noch Schlimmeres passieren.
    »Ich komme mit«, sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte.
    Die Starrheit seiner Züge verriet ihr, daß er einen Zustand erreicht hatte, in dem ihm alles egal war.
    »Wie du willst.« Er steuerte auf die finstere Öffnung der Gasse zu.
    Baugerüste machten die Gasse noch dunkler und enger, als sie sowieso schon war. Sidney verzog angewidert das Gesicht über den penetranten Uringeruch. Es war noch schlimmer, als sie erwartet hatte.
    Unbeleuchtete Häuser ragten zu beiden Seiten düster in die Höhe. Die Fenster waren vergittert, und in den Türnischen drückten sich vermummte, stöhnende Gestalten herum, die jene Art verbotener Geschäfte machten, die die Nachtlokale dieser Gegend offensichtlich nur zu gern förderten.
    »Justin, wohin willst du -«
    Brooke hob abwehrend die Hand. Von vorn hörten sie jetzt die heiseren Flüche eines Mannes. Sie schallten vom Ende der Gasse herauf, wo neben einem Lokal eine Backsteinmauer etwas hervorsprang und eine geschützte Nische bildete. Zwei Gestalten wälzten sich dort auf dem Boden. Die unten liegende war eine schwarz gekleidete Frau, die ihrem wütenden Angreifer weder an Körpergröße noch an Kraft gewachsen zu sein schien.
    »Du dreckige ...« Der Mann - blond, wie es schien, und dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen außer sich vor Wut - schlug mit den Fäusten auf sie ein.
    Sidney rannte los. Als Brooke sie aufhalten wollte, rief sie:
    »Nein! Es ist eine Frau!« und rannte weiter zum anderen Ende der Gasse.
    Sie hörte Justins keuchenden Atem hinter sich. Keine drei Meter vor dem kämpfenden Paar überholte er sie. »Bleib weg da! Laß mich das machen!« sagte er grob.
    Er packte den Mann bei den Schultern, grub seine Finger in die Lederjacke. Als er ihn in die Höhe riß, bekam die Frau unter ihm die Arme frei und hob sie instinktiv, um ihr Gesicht zu schützen. Brooke schleuderte den Mann nach rückwärts.
    »Ihr seid wohl beide verrückt geworden! Wollt ihr die Polizei auf den Hals bekommen?«
    Sidney drängte sich an ihm vorbei. »Peter!« rief sie. »Peter Lynley!«
    Brooke blickte von dem jungen Mann zu der Frau, die mit hochgeschobenem Kleid und zerfetzten Strümpfen seitlich auf dem Boden lag. Er kauerte nieder und umfaßte ihr Gesicht, als wollte er sich ihre Verletzungen genauer ansehen.
    »Mein Gott!« murmelte er. Mit einem Ruck ließ er sie los, sprang auf und fing plötzlich an zu lachen.
    Die Frau richtete sich auf die Knie auf. Sie packte ihre Handtasche und griff sich einmal kurz an den Hals.
    Dann begann auch sie zu lachen.

NACHMITTAGE IN LONDON

1
    Lady Helen Clyde war umgeben von Zeugnissen von Tod und Gewalt. Beweisstücke diverser Verbrechen lagen auf den Tischen; Fotografien von Leichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher