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039 - Der Griff aus dem Nichts

039 - Der Griff aus dem Nichts

Titel: 039 - Der Griff aus dem Nichts
Autoren: Ernst Vlcek
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Latimer, der am Anfang des Carmelita Canyons hauste und bei allen Leuten bekannt war und nicht für voll genommen wurde, war die ideale Person für Fullers Zwecke gewesen. Es fiel Fuller nicht schwer, das Aussehen des Alten anzunehmen. Als Plastochirurg mit magischen Fähigkeiten war das ein Kinderspiel für ihn. „Du bist so schweigsam, Dorian“, sagte Fuller-Latimer spöttisch. „Was beschäftigt dich denn so intensiv, daß du das Sprechen vergißt? Kann ich dir weiterhelfen, um deine Wissenslücken zu füllen?“
    „Ich sehe eigentlich recht klar, Robert“, antwortete Dorian. „Ich hatte schon von Anfang an den Verdacht, daß du nicht zufällig vor Dorothys Villa aufgetaucht warst. Aber ich dachte, daß du gekommen seist, um mich der Polizei auszuliefern, um dir einige Dollars zu verdienen.“
    „Dein Pech, daß du die Wahrheit nicht erkannt hast, Dorian“, meinte Fuller. „So einfach hatte ich es mir gar nicht vorgestellt. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dich gewaltsam in mein Sanatorium herausschleppen zu müssen. Aber so war es mir natürlich lieber.“
    „Mir auch“, sagte Dorian. „An einem anderen Ort hätte ich dich nicht so einfach töten können. Ich hätte bestimmt Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen. Aber dieser Raum ist der Beweis für deine verbrecherische Tätigkeit. Und wenn mir schon niemand glauben wird, daß du ein Dämon bist, so wird man zumindest erkennen, daß du ein Scheusal in Menschengestalt warst. Du bist Freiwild für mich, Robert.“
    Fuller lachte. „Deine Selbstüberschätzung amüsiert mich, Dorian. Muß ich dich erst daran erinnern, daß du nicht der Jäger, sondern der Gejagte bist? Sieh dich um! Du sitzt in der Falle.“
    Dorian sah sich um. „Was willst du mit diesen erbärmlichen Kreaturen!“ rief er laut, so daß alle Kollektivteile hören konnten. „Sie können sich nicht von der Stelle rühren. Sie sind unvollkommen, hilflos und labil. Sie sind an ihre vorbestimmten Plätze gefesselte Fragmente, die sich ihrer Erbärmlichkeit bewußt sind. Jedes dieser Individuen ist in höchstem Grad neurotisch und von einer geradezu erschreckenden Übersensibilität. Keines dieser Fragmente wäre einer größeren psychischen Belastungsprobe gewachsen.“
    Das Lebenskollektiv geriet wieder in Bewegung. Die Herzen begannen in schnellerem Rhythmus zu schlagen, die Glieder schlugen um sich.
    „Wir sind schön, schön, schön!“ rief der Chor.
    „Nur ruhig, mein Schöner“, sagte Fuller besänftigend. „Warum sprichst du immer von mehreren Individuen, Dorian? Hast du nicht erfaßt, daß es sich hier um ein einziges Lebenskollektiv handelt? Früher waren es Einzelpersonen, doch ich habe sie zu einer einzigen Persönlichkeit zusammengefaßt.“
    „Das ist dein großer Irrtum, Robert“, entgegnete Dorian. „Du hast in deiner Verblendung nicht erkannt, daß du zwar viele Körper zu einem einzigen Lebensgebilde vereinen kannst, daß es aber unmöglich ist, die vielen Individuen miteinander zu koordinieren. Der Körper funktioniert tadellos, aber der Geist ist zersplittert. Und diese vielen individuellen Geister wirken sich nachteilig auf die Physiologie des gesamten Kollektivs aus. Dieser monströse Körper ist zum Sterben verurteilt, Robert.“
    „Du Narr!“ schrie Robert aufgebracht. „Ich werde dir beweisen, daß das Kollektiv lebensfähig ist. Du wirst es am eigenen Leib spüren, wenn ich dich in diese wunderbare und schöne Einheit eingliedere. Du hältst dich für einen Rebell, Dorian, aber wenn du erst Teil des Kollektivs bist, wird dein Geist mit den anderen Geistern verschmelzen. Du wirst es erleben.“
    Dorian wechselte das Thema. „Warum hast du Hopper nicht dem Kollektiv angeschlossen?“ fragte er und gab sich selbst die Antwort: „Sicher nur deshalb nicht, weil auch sein Geist zersetzend auf die anderen gewirkt hätte. Dieses Kollektiv ist so sensibel, daß es durch einen einzigen Gedanken zerfallen kann.“
    „Hopper war – mehr noch als du – mein persönlicher Feind“, sagte Fuller erregt. „Wahrscheinlich hat dir Dorothy davon berichtet, was er mir angetan hat. Er verdiente es nicht, in das Lebenskollektiv aufgenommen zu werden.“ Fuller kicherte plötzlich. „Ich habe die ganze Zeit über mit Hopper gespielt. Ich habe ihn einige Male als Latimer aufgesucht und ihm über die Vorgänge im Sanatorium berichtet. Gestern rief ich ihn an und versprach ihm, ihn zu Fuller zu führen und ihm Gelegenheit zu geben, ihn zu töten. Wir trafen uns
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