0372 - Werwolf-Omen
es, und bald würden die Schmerzen sich ausbreiten.
Meinem Körper erging es ebenfalls nicht viel besser. Der Sturz auf der Treppe hatte ihn in Mitleidenschaft gezogen. Ob Ellenbogen oder Beine, dort hatte ich das Gefühl, als hätte jemand mit einem Hammer gegen die Knochen geklopft.
Alexis Ascot bewegte sich. Sie faßte ihre Tochter unter und stemmte sie hoch. Für einen Moment schwankte sie, als Laura auf ihren ausgebreiteten Armen lag.
Dann hatte sie sich gefangen und lief mit unsicheren Schritten auf die offene Tür zu. Den direkten Kurs zur Treppe nahm sie, entwickelte außerordentliche Kräfte und stieg die Stufen hoch.
Mich bedachte sie dabei nicht einmal mit einem Blick…
***
Der Wind wehte nicht nur mir ins Gesicht, sondern auch der Frau, und er trocknete ihre Tränen. Ich hatte ihr meine Hilfe angeboten, und zweimal war ich schroff abgelehnt worden, denn sie wollte ihre Tochter allein begraben.
Das tat sie auch.
Wir befanden uns fast unter den Bäumen, und Alexis ging mit dem Spaten um wie ein Mann. Sie schaufelte das Grab nicht so tief wie ein normales, aber die Erde sollte schon den Körper bedecken.
Ein paarmal hatte ich versucht, sie anzusprechen, eine Antwortallerdings nicht bekommen.
Und so arbeitete sie weiter. Stumm und verbissen. Mir wurde eine makabre Szene geboten. Eine graue Dunkelheit lag über dem Land.
Mittlerweile war der neue Tag schon eine Stunde alt.
Die Tote hatte Alexis noch in eine Decke gewickelt. Die Leiche lag neben dem Grab, genau der Seite mit dem aufgeworfenen Erdhügel gegenüber.
Meine Gedanken drehten sich um die vier Wölfe. Daß sie verschwunden waren, regte mich nicht weiter auf, denn gegen alle wäre ich sicherlich nicht angekommen, nur fragte ich mich nach ihrem Ziel. Eine Vollmondnacht war für Bestien wie sie ungemein günstig, da konnten sie ihrem Trieb nachkommen und Menschen überfallen.
Laura, ihr Vater und ihre drei Onkel hatten gewissermaßen den Clan gebildet. Alexis stand abseits. Dennoch war ich davon überzeugt, daß man sie in die Pläne eingeweiht hatte, und aus ihrem Munde wollte ich erfahren, was die Werwölfe vorhatten.
Auch bei mir drängte die Zeit.
Ich sprach sie wieder an. Eine Antwort bekam ich nicht. Als ich nachhakte, fuhr sie plötzlich herum, mit ihr auch das Spatenblatt, dasplötzlich dicht vor meiner Gürtellinie erschien.
Hastig sprang ich zurück.
»Beim nächstenmal ramme ich dir das Ding in den Leib!« drohte sie flüsternd.
»Wir werden sehen.«
Dann machte sie weiter. Ich ließ sie, denn zu diesem Zeitpunkt würde sie mir keine Auskünfte geben, und als ich ging, schaute sie auch kaum auf. Alexis Ascot war beschäftigt. Fliehen würde sie bestimmt nicht. Deshalb konnte ich gehen und meinen Wagen holen.
Ich fand ihn so, wie ich ihn verlassen hatte.
Obwohl es mitten in der Nacht war, rief ich vom Auto aus Suko, meinen Freund und Kollegen, an. Er mußte einfach erfahren, wie es mir ergangen war. Er hob auch ziemlich schnell ab, da neben seinem Bett ebenfalls ein Apparat stand.
»Du?« stöhnte er. »Sag bloß, du bist versackt und suchst einen, der dich abholt.«
»Das nicht. Hör zu, Alter, es ist verdammt ernst!«
»Rede!«
Ich berichtete von meinem Abenteuer. Auf einmal klang Sukos Stimme nicht mehr spöttisch oder verschlafen. Mein Freund war hellwach. »Das gibt es doch nicht!« flüsterte er. »Das kann ich nicht glauben, verdammt.«
»Es ist aber so. Ich habe eine Werwölfin erledigen müssen.«
»Und die anderen?«
»Sind unterwegs.«
»Du weißt nicht, wohin?«
»Nein, doch hoffe ich, es in der nächsten halben Stunde zu erfahren. Ich gebe dir dann Bescheid. Bleib bitte wach!«
»Schlafen werde ich sowieso nicht können. Nicht nach diesem, deinen Anruf. Hast du wirklich alles unter Kontrolle?«
»Jetzt ja.«
»Bist nicht verletzt?«
»Nur ein wenig lädiert. Wie gesagt, Suko, bleib in Bereitschaft. Ich habe ein verdammt dummes Gefühl, daß sich hier noch etwas Großes anbahnt. Die vier Bestien sind nicht umsonst verschwunden. Die verfolgen einen bestimmten Plan.«
»Wenn du meinst. Bis später.«
Nach dieser Antwort meines Freundes startete ich den Wagen.
Als die Lichtlanzen über den Platz vor dem Haus streiften, erschien auch wie eine gespenstische Silhouette der Umriß der schaufelnden Alexis Ascot. Ich stoppte, stieg aus, ging zu ihr und blieb neben Alexis stehen. Die Leiche ihrer Tochter hatte sie bereits in die Grube gelegt und war jetzt dabei, sie zuzuschaufeln. Schaufel für Schaufel
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