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0354 - Experimente mit der Zeit

Titel: 0354 - Experimente mit der Zeit
Autoren: Unbekannt
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Mann stand mit herabhängenden Armen in der Kommandozentrale und bewegte sich nicht. Bully ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    „Was ist, Leutnant? Vergessen Sie, daß das, was Sie jetzt sehen, auch wirklich passiert ist.
    Denken Sie daran, daß es schon fast fünfhundert Jahre her ist. Dort unten schlachten sich Tote ab, Menschen, die seit vierhundertdreiundneunzig Jahren nicht mehr leben. Stellen Sie sich vor, Leutnant, Sie sehen einen Film. Mehr ist es nicht."
    Der Offizier atmete drei- oder viermal tief durch, dann nickte er.
    „Ich will es versuchen, Staatsmarschall. Aber Sie haben gut reden. Sie tragen einen Zellaktivator und sind über fünfhundert Jahre alt. Sie kennen das da unten. Ihnen macht es nichts aus."
    Bully sah ihn einige Sekunden forschend an, dann zuckte er mit den Achseln.
    „Sie meinen, es macht mir nichts aus?" Er ging einige Male in der Zentrale auf und ab, dann blieb er wieder vor dem Leutnant stehen. „Ich glaube, Sie irren sich, Leutnant. Meine Vorfahren stammen aus Deutschland, und mein Onkel ist in Stalingrad gefallen. Und ein Jahr später, in Frankreich, wurde mein Vater abgeschossen. Ich hätte also triftige Gründe, diesen Krieg sehr persönlich zu nehmen und seinen Verlauf ändern zu wollen."
    Er kehrte zu seinem Platz zurück und setzte sich, aber er sah nicht mehr auf den Panoramaschirm.
    Mit hängenden Schultern und einen beschämten Ausdruck im Gesicht stand der Leutnant da, dann murmelte er: „Sie haben sich gegenseitig abgeschlachtet. Und gleichzeitig sprachen sie von Menschlichkeit.
    Waren das wirklich unsere Vorfahren?"
    Bully wollte nicht, daß in dem jungen Offizier ein falscher Eindruck zurückblieb. Er sagte: „Viele von denen dort unten, die um ihr nacktes Leben kämpfen, haben keine andere Wahl. Sie kämpfen auf Befehl eines Wahnsinnigen, und es gibt nichts, was sie in diesem fremden Land festhält. Sie wissen nicht, daß sie fast alle sterben müssen - ob sie nun kämpfen oder kapitulieren. Und sie können sich nicht einmal gegen diesen sinnlosen Befehl wehren, denn dann wären sie genauso verloren. Sie stecken in einer hoffnungslosen Situation, und vielleicht ist töten und getötet werden die einzige Möglichkeit für sie, Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit zu vergessen."
    Oberst Hirendelle versicherte: „Ich habe schon andere Versionen gehört. Ich habe sogar schon gelesen, daß sie Helden gewesen sein sollen. Auf beiden Seiten."
    Bully schüttelte den Kopf.
    „Diese Version war sicherlich eine Luge. Es gibt keine Helden. Heldentum ist nur der zweifelhafte Ausdruck für die Tat eines Menschen, der sich in einer ausweglosen Situation befindet, und daher etwas tut, was er unter normalen Umständen niemals tun würde. Und die da unten sind verzweifelt. Insofern haben Sie recht, Oberst. Sie sind Helden. Aber anders, als Sie es vielleicht bisher auffaßten."
    Hirendelle gab keine Antwort.
    Auf dem Panoramaschirm schoben sich ganze Kolonnen feuernder Panzer durch die brennenden Straßen und hinterließen eine blutige Spur. Einige von ihnen wurden in einer heftigen Explosion auseinandergerissen, wenn es den überrollten Soldaten gelang, eine Haftmine an der Unterseite des Panzers anzubringen. Den Panzern folgte die Infanterie. Der Gegner vermochte nicht mehr, sie zurückzuhalten. Ein blutiges Gemetzel nahm seinen Anfang.
    „Ich halte das nicht mehr aus!" rief jemand. „Kann man den Bildschirm nicht ausschalten?"
    Oberst Hirendelle warf Bully einen fragenden Blick zu. Aber noch ehe der Staatsmarschall eine Entscheidung treffen konnte, erlosch der Panoramaschirm von selbst.
    Er wurde dunkel, und dann wirbelten abstrakte Farbreflexe über die Bildfläche. Als er wieder hell wurde, stand die WASHINGTON wenige hundert Meter über dem eingeebneten Gebirge, unter dem der Zeittransmitter verborgen war.
    Die fünfdimensionale Energieleistung des Zwischenzeit-Transmitters war erschöpft. Sie hatte lediglich ausgereicht, das riesige Schiff für eine halbe Stunde in die Vergangenheit zu schleudern. Der größte Teil der Energie war jedoch verbraucht worden, als der Transmitter die WASHINGTON über siebenundzwanzig Lichtjahre hinweg versetzte.
    Bully sah auf den automatischen Bordkalender.
    Es war immer noch der 18. Mai des Jahres 2436.
    Oder besser: Es war wieder der 18. Mai 2436.
     
    5.
     
    Mit dem Verschwinden der WASHINGTON ergab sich für das terranische Einsatzkommando eine völlig neue Situation. Major Holger mußte annehmen, daß sie nun ganz auf
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