Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0336 - Nachts sind alle Gangster grau

0336 - Nachts sind alle Gangster grau

Titel: 0336 - Nachts sind alle Gangster grau
Autoren: Nachts sind alle Gangster grau
Vom Netzwerk:
vergaß.
    Erst als ich durch das Knurren meines Magens daran erinnert wurde, dass es Mittag war, schweiften meine Gedanken wieder zu der Puppe mit dem Dolch ab. Aber diesmal verfolgte mich niemand, als ich eine kleine Snack-Bar in der Nähe besuchte.
    Ich war halbwegs durch den zweiten Hamburger, als ich das Gefühl im Nacken hatte, jemand beobachte mich. Langsam drehte ich mich um, und dann blieb mir der Bissen im Hals stecken.
    Draußen, an dem breiten Fenster, das auf die Straße blickte, drückte sich ein grinsendes Gesicht die Nase platt und starrte mich mit irren Augen an.
    Diesmal war ich meiner Sache sicher. Wenn es sich bei dem Burschen dort draußen nicht um Frankie Orlando handelte, und der lag in der Leichenhalle in der Center Street, dann musste es zumindest sein Doppelgänger sein.
    Trotzdem zwickte ich mich unter dem Tisch ins Bein, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte. Aber dadurch verschwand die grinsende Fratze noch lange nicht.
    Dann war ich auch schon auf den Beinen und sprintete zur Tür. Ich wollte mir den Burschen schnappen, jetzt musste ich der Wahrheit auf den Grund kommen.
    Ich hatte schon fast die Tür erreicht, als sich die Kellnerin umdrehte und gegen mich prallte. Dabei rutschte sie aus, warf mir ein Sandwich samt Teller in den Schoß und riss mich mit.
    Als ich mich wieder hoch gerappelt hatte und die Tür erreichte, war es schon zu spät. Der Bursche mit dem grinsenden Gesicht war verschwunden, als hätte ihn der Boden verschluckt.
    Ich blickte verdutzt in der Gegend herum. Ich glaubte meinen eigenen Augen nicht zu trauen, das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen! Selbst ein Weltrekordläufer konnte kaum vor mir die Ecke erreicht haben, und trotzdem schien sich der Bursche in Luft verwandelt zu haben.
    Langsam und nachdenklich kehrte ich in die Snack-Bar zurück, entschuldigte mich bei der Kellnerin und bezahlte, ohne meinen unterbrochenen Lunch zu beenden. Mir war der Appetit vergangen.
    Man konnte beim besten Willen nicht behaupten, dass ich abergläubisch war, oder mich so leicht ins Bockshorn jagen ließ, aber diesmal war ich fast bereit, an Geister zu glauben.
    ***
    Eigentlich hatte ich an diesem Abend die Absicht, mir die Zeit mit einem Buch um die Ohren zu schlagen, aber ich konnte mich nicht richtig darauf konzentrieren.
    Phil hatte ich nicht gesehen, seit ich bei Mr. High Bericht erstattet hatte. Dabei hatte ich allerdings manches verschwiegen, was nicht unbedingt zu dem Fall gehörte. Wie erklärt man seinem Chef, dass man am helllichten Tag Gespenster sieht?
    Als ich mir eben einen Schuss Whisky einschenkte, gellte das Telefon schrill auf. Es war beinahe eine willkommene Unterbrechung. Ich hob den Hörer ab. »Cotton«, meldete ich mich.
    »Hallo, G-man«, antwortete die Stimme, die ich sofort wiedererkannte. »Du hast wohl geglaubt, ich sei tot? Vielleicht bist du seit heute Morgen vom Gegenteil überzeugt, oder ich muss dir noch eindringlichere Beweise verschaffen?«
    Die Stimme gehörte Frankie Orlando, daran gab es keinen Zweifel. Sie hatte den typischen Tonfall, die gleichen Verzerrungen des Dialektes.
    Aber über eins war ich mir sicher: Das war kein Geist. Geister sprechen nicht und schon gar nicht über Telefon.
    »Ich weiß nicht, was der Scherz bedeuten soll, aber wenn du glaubst, dass ich mich dadurch erschüttern lasse, bist du im Irrtum.«
    Die Stimme am anderen Ende lachte scheppernd auf, als hätte ich eben einen tollen Witz gemacht.
    »Es scheint dir ja doch an die Nieren zu gehen, Cotton«, sagte die Stimme dann wieder. »Warum bist du eigentlich heute morgen zur Leichenhalle in der Center Street gefahren? Glaubst du vielleicht doch an Geister?«
    »Nur an die in einer Flasche«, knurrte ich, aber dabei war mir noch immer nicht klar, was dahinter steckte. Ein Mann stirbt nicht und erscheint dann wieder am helllichten Tag. Es musste sich hier um einen Burschen handeln, der Frankie Orlando aufs Haar glich. »Ich möchte allerdings wissen, was der ganze Unfug bedeuten soll?«
    Die Stimme kicherte wieder vor sich hin. Sinn für Humor schien der Kerl zu haben, wenn es auch ein recht makabrer Humor war.
    »Es handelt sich nicht um einen Fastnachtsscherz, Cotton«, sagte die Stimme dann plötzlich nüchtern. »Wenigstens wird es für dich keiner sein. Du wirst in Kürze sterben, G-man, und dein Tod wird nicht angenehm sein, das verspreche ich dir. Mach dich darauf gefasst. Es bleibt dir nicht mehr viel Zeit.«
    Dann wurde der Hörer aufgelegt, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher