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0312 - Ihn peitschte die Angst

0312 - Ihn peitschte die Angst

Titel: 0312 - Ihn peitschte die Angst
Autoren: Ihn peitschte die Angst
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Kopf.
    »Weiter nichts«, sagte ich. »Ich bin kein Richter. Wenn sie das meinen.«
    Das Mädchen senkte den Kopf. Leise kam es von ihren Lippen:
    »Was denken Sie über Leute, die zu so einer Familie gehören?«
    Ich lächelte. Auf einmal war mir klar, welchen Kummer sie hatte. Ich ging zu ihrem Schreibtisch. Er war klein, aber vielleicht war er doch noch viel zu groß für solch ein kleines Mädchen. Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich rittlings darauf.
    »Hören Sie mal gut zu«, sagte ich.
    Sie hob langsam den Kopf. In ihren Augen schimmerte es verräterisch.
    »Hat es sich schon herumgesprochen?« fragte ich. »In der Schule?«
    Sie nickte. Und auf einmal konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten.
    »Und ausgerechnet die hatte ich für meine beste Freundin gehalten«, schluchzte sie.
    Ich strich ihr über das seidige Haar.
    »Was ein Freund ist«, sagte ich, »das weiß man immer erst nach der Bewährungsprobe. Vorher tun viele mit einem freundlich.« Ich stand auf und betrachtete den Kalender an der Wand. Ich räusperte mich und drehte mich wieder um. »Hören Sie«, sagte ich leise, »Sie sind doch kein Kind mehr. Wenn Sie erwachsen werden wollen, müssen Sie tapfer sein. In dieser Welt gibt es nun einmal auch das Häßliche, das Böse, das, was anders sein sollte. Aber deswegen kann man nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Im Glück kann jeder ein guter Kerl sein. Aber wie sich einer durchbeißt, wenn er mal bis zum Hals im Pech sitzt, darauf kommt es an.«
    Ich brach ab. Was ich fühlte, konnte ich nicht ausdrücken. Das Mädchen trocknete sich die letzte Träne ab. Dann putzte sie sich geräuschvoll die Nase. Ich zog meine Brieftasche heraus und nahm aus dem hintersten Fach die Karte, die ich selten jemandem gebe. Es war die Karte, auf der nicht nur meine dienstliche, sondern auch meine private Telefonnummer stand.
    »Manchmal muß man sich aussprechen«, sagte ich. »Mir geht das genauso. Wollen wir beide uns etwas versprechen?«
    Sie sah mich schüchtern an.
    »Was denn?«
    Ich drückte ihr die Karte in die Hand.
    »Wenn einer von uns beiden mal nicht weiter weiß«, sagte ich, »ruft er den anderen an und spricht sich mit ihm aus. Meistens genügt es ja schon, wenn der andere nur zuhört. Einverstanden?«
    Sie nickte zögernd. Ich räusperte mich und sagte:
    »Tragen Sie es mir nicht nach. Ich muß meinen Job tun, ob es mir nun gefällt oder nicht. Denken Sie daran, was auch kommen mag.«
    Ich drehte mich abrupt um.
    »Ist Ihr Vater drin?« fragte ich sie.
    »Ja. Soll ich…?«
    »Lassen Sie nur«, sagte ich. »Ich mache es selber.«
    Ich klopfte kurz an und zog auch schon die Tür auf. Als ich sie hinter mir wieder schloß, sah ich flüchtig, wie das Mädchen meine Karte in eine kleine rote Geldbörse schob. Es war einer von den seltenen Augenblicken, da ich mir wünschte, ich hätte einen anderen Job.
    »Hallo«, sagte jemand.
    Ich drehte mich um. Jack Dayton saß an seinem Schreibtisch. Es war Samstagnachmittag, aber dieser Mann sah wie einer aus, der auch am Sonntag noch ans Dollarmachen denkt.
    »Hallo«, erwiderte ich.
    »Was kann ich für Sie tun, G-man? Ich hoffe doch, daß Sie nicht schon wieder meinen Bruder suchen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein. Der sitzt auf Nummer Sicher. Diesmal möchte ich mit Ihnen sprechen. Oder besser, ich möchte Sie etwas fragen.«
    Er zog neugierig die Augenbrauen hoch.
    »Ja? Was denn?«
    Ich ging langsamen Schrittes auf seinen Schreibtisch zu. Am Fenster bumste mit hartnäckiger Regelmäßigkeit eine Fliege gegen die Scheibe, die sie nicht sehen konnte. Das leise Schwirren des neuen Anfluges und der kleine Bums beim Zusammenstoß waren die einzigen Geräusche, die es gab.
    Ich stemmte meine Fäuste auf den Schreibtisch. Ich beugte mich ein wenig vor. Unsere Blicke fraßen sich ineinander. Meine Stimme war leise.
    Ich sagte:
    »Wie fühlt man sich, wenn man auf einer Million und zweimal hunderttausend Dollar sitzt?«
    ***
    Mit einem Satz war Phil an der Tür. Der beißende Nebel von der Tränengashandgranate drang schon bis zu ihm. Er mußte husten, tastete nach der Türklinke und fand sie endlich. Als die Tränen bereits seine Sehfähigkeit beeinträchtigten, bekam er die Tür auf und sprang hinaus. Rasch schlug er die Tür hinter sich zu, lehnte sich dagegen und verschaufte.
    Von der Straße her tönte das schrille Pfeifen einer Doppelsignalton-Pfeife, wie sie b4i der New Yorker Stadtpolizei gebräulich ist. Und zugleich wurde auch das
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