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0305 - Im Rattentempel

0305 - Im Rattentempel

Titel: 0305 - Im Rattentempel
Autoren: Jason Dark
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träge, sondern waren wie aufgedreht.
    Sie huschten durch das hohe Gras, wobei sie als graue Spur zu erkennen waren, schlugen Bögen, Kreise und konzentrierten sich plötzlich auf ein Ziel.
    Es war genau der Baum, auf dem sich auch der Hochsitz befand.
    Die Schauer rollten in immer kürzeren Abständen über den Rücken des Wildhüters. Wenn er das Verhalten der Ratten so beobachtete, glaubte er daran, daß die Tiere mit dem Elefanten nicht genug gehabt hatten.
    Sie wollten mehr, und zwar ihn!
    Der Schweiß auf dem Gesicht des Mannes wurde kalt und blieb dort als Schicht liegen. Noch schneller schlug sein Herz, während er Mühe hatte, Atem zu holen, denn seine Kehle kam ihm vor, als würde sie von unsichtbaren Händen zusammen gepreßt.
    Vielleicht hatte er einen Fehler gemacht, vielleicht hätte er doch fliehen sollen, als die Ratten mit ihrem grausigen Mahl beschäftigt gewesen waren. Jetzt war es wahrscheinlich zu spät.
    Bisher hatte sich Hakim geduckt. Nun schob er sich zurück und ging auf Hände und Knie nieder. Er nahm die Position ein wie Rekruten in ihrer ersten Gefechtsausbildung.
    Das Gewehr zog er neben sich her, achtete darauf, daß nicht zu viele Geräusche entstanden, denn die Rattenbrut hatte verdammt feine Ohren.
    Hakim schob sich so weit vor, daß er mit einem Auge über den Rand und damit auch die Leiter hinabpeilen konnte. Zu sehen war nichts. Nur die Sprossen liefen nach unten, eine völlig normale Reihe, so wie immer. Und keine Ratte hockte auf ihnen.
    Das verschaffte ihm Erleichterung. Dieser Weg war also noch offen.
    Hoffentlich blieb dies auch in den nächsten Minuten. Lange würde er es hier oben nicht ausharren.
    Ein wenig zog sich der Wildhüter wieder zurück und drückte seinen Oberkörper so weit hoch, daß er über den Rand und auf die Lichtung schauen konnte.
    Dort wimmelte es noch immer. Die graubraunen Körper waren einfach nicht zu beruhigen. Sie sprangen, tanzten, drehten sich.
    Einige von ihnen hielten noch die Beutestücke in den Mäulern.
    Auch das Gras bewegte sich. Man mußte schon genau hinsehen, um zwischen den hohen Halmen die hin und her huschenden Körper erkennen zu können.
    Jenseits des Hochsitzes befanden sich keine Tiere. Dort war die Bahn noch frei.
    Bevor sich Hakim an den Abstieg machte, dachte er über den Fluchtweg nach. Er klügelte genau aus, wie er laufen mußte, und zum Glück kannte er den Dschungel hier wie seine eigene Wohnung.
    Es war nicht der bequemste Weg, den er einschlagen wollte, denn er mußte auch durch kleine Tümpel waten, in denen oft die dünnen, gefährlichen Wasserschlangen lauerten. Doch Hakim trug Stiefel, deren Leder ihn vor den Bissen hoffentlich schützte.
    So mußte es einfach klappen.
    Natürlich rannte er nicht so schnell wie ein Elefant, der in Panik geraten war, aber das Moment der Überraschung lag auf seiner Seite, und das mußte er auskosten.
    Noch einen letzten Blick warf er nach unten. Die Ratten waren zum Glück noch beschäftigt.
    Also weg.
    Wieder mußte er sich ein wenig drehen, um die Lücke zu erreichen, wo die Leiter begann.
    Das Gewehr wollte er nicht über die Schulter hängen, sondern in der Hand behalten. Zur Not konnte er auch mit dem Kolben die Ratten einfach zerschlagen.
    Einen Schritt hatte er in Richtung Leiter getan, als er, wie vom Blitz getroffen, stehen blieb.
    Direkt am Rand, noch auf der Kante, hockte eine fette Ratte mit blutiger Schnauze und starrte ihn tückisch an…
    ***
    Es stank nach Urin, seltsamen Düften, nach gebratenem Fleisch und menschlichen Ausdünstungen. Für europäische Nasen fremd, für indische bestimmt normal.
    Die Straße war kaum als solche zu bezeichnen. Ein feuchter Schlammpfad, gezeichnet mit Schlaglöchern und an beiden Seiten von baufälligen Hütten umgeben.
    Elend und Not in Kalkutta. Eine Welt der Verzweiflung, in die nur hin und wieder ein Hoffnungsstrahl hineinleuchtete.
    Menschen, die vor den Hütten saßen und schauten. In ihren Gesichtern spiegelte sich das Elend des Lebens. Die Haut sah grau und stumpf aus, auch die Augen besaßen längst keinen Glanz mehr.
    Die Bewohner hatten es aufgegeben, an bessere Zeiten zu glauben, und sie hatten sich sogar an die schlechteren gewöhnt.
    Man spürte ihre Apathie. Hier verhungerten manchmal Kinder sogar auf der Straße, ohne daß jemand dagegen einschritt.
    So war das Leben…
    Ich sah dies alles und konnte es kaum glauben. Nicht weit entfernt schob der gewaltige Ganges seine schmutzigen Fluten durch das Flußbett. Man roch
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