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03 - Saison der Eifersucht

03 - Saison der Eifersucht

Titel: 03 - Saison der Eifersucht
Autoren: Marion Chesney
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so
gemütlich, wie ihn Harriet mit ihren beschränkten Mitteln gestalten konnte. Ein
dekorativer Herbstlaubzweig, in Glyzerin konserviert, glühte in einem
Bronzekrug im Schatten des Kerzenlichts, in dem der Raum lag. Harriet besaß
zwei elegante Sheraton-Stühle und einen Tisch mit Einlegearbeit, aber der
unebene Boden war blank, und der Kamin mit all den verrußten Haken und Ketten
verriet, dass er zum Kochen benutzt worden war, bevor man die winzige Küche
angebaut hatte.
    »Du wolltest zur
Sache kommen«, forderte Harriet Miss Spencer sanft auf. Sie fühlte sich schon
viel besser. Josephines Art, das Leben zu meistern, hatte etwas sehr
Beruhigendes an sich.
    »Als erstes müssen
wir Sir Benjamins Anwalt aufsuchen«, sagte Miss Spencer. »Er wird es so
einrichten, dass dir aus dem Vermögen eine ausreichende Summe gezahlt wird,
damit du die Mädchen in entsprechend großzügigem Stil in die Gesellschaft
einführen kannst. Er wird dir auch ein Haus für die Saison mieten können. Es
wird nicht ganz leicht für ihn sein, eine Nobeladresse für dich zu finden, aber
versuchen muss er es. Du darfst auch nicht hier wohnen bleiben. Als Vormund und
Anstandsdame der Mädchen musst du in >Chorley Hall< wohnen.«
    »Ich hatte das
Gefühl, das wäre ein bisschen anmaßend.«
    »Unsinn. Du hättest
gleich umziehen sollen«, meinte Miss Spencer. »Jetzt ist es zu spät, sich
darüber Gedanken zu machen. In London musst du aber auf alle Fälle mit ihnen
zusammen wohnen. Du musst so zeitig wie möglich vor Saisonbeginn dort sein. Du
musst den Boden bereiten - das heißt, kleine Teegesellschaften geben, die
tonangebenden Damen kennenlernen, vor allem alle Damen mit Söhnen im
heiratsfähigen Alter.«
    »Das flößt mir
alles regelrecht Angst ein«, sagte Harriet. »Ich weiß nicht viel über die große
Welt.«
    »Nein, und über
ihre Angehörigen auch nicht«, bemerkte Miss Spencer.
    Sie sprach in
scharfem Ton; Beauty wurde zu Harriets Füßen unruhig, zog die Lefzen zurück und
fletschte die Zähne.
    »Ich meine«, fuhr
Miss Spencer fort, wobei sie Beauty aus den Augenwinkeln voller Abscheu
betrachtete, aber ihren Ton vorsichtshalber mäßigte, »dass du die Hayner-Mädchen
nicht sehr gut kennst. Ich weiß, dass du sagen willst, das sei lächerlich, aber
denk einmal nach! Du hast nie wirklich mit ihnen gespielt, als ihr allesamt
kleine Mädchen wart. Du hast sie nur in Sir Benjamins Gesellschaft gesehen. Ich
habe die Leute sagen hören, dass sie ihrer Mutter nachgeraten, die ein
gerissenes und boshaftes Weib war.«
    »Josephine«, sagte
Harriet, und eine feine Röte überzog ihr Gesicht, »ich bewundere Sarah und
Annabelle schon seit langer Zeit. Sie haben etwas so Liebenswürdiges, Zartes
und Feines an sich, das mir - ich muss es gestehen fehlt. Ihr Benehmen in
Gesellschaft ist tadellos. Ich bin schüchtern, und es fällt mir nie etwas ein,
worüber ich mit den Leuten reden könnte. Sie haben mich immer willkommen
geheißen und waren äußerst freundlich und mitfühlend, als meine Eltern
starben.«
    »Sie haben dich oft
besucht, als du in >The Grange< wohntest, sagte Miss Spencer. »Wie oft
waren sie da, seitdem du hierher gezogen bist?«
    »Was ist über dich
gekommen, Josephine?« fragte Harriet vorwurfsvoll. Dann hellte sich ihre Miene
wieder auf. »Ich weiß, warum du so reizbar bist. Du bist von der langen Reise
müde, und außerdem haben wir nur über meine Sorgen gesprochen und kein Wort
über deine Erlebnisse in Bath. Erzähl mir von all den Leuten, die da waren! Hat
das Wasser dein Milzleiden kuriert?«
    Miss Spencer, die
zu ihrem Verdruss merkte, dass Harriets Loyalität gegenüber den Hayner-Zwillingen
offenbar nicht zu erschüttern war, tröstete sich, indem sie ihre junge
Gastgeberin mit einer beißend scharfen Beschreibung der Gesellschaft in Bath
außerhalb der Saison unterhielt.
    Harriet saß da und
hörte zu, während sie den Riss in Miss Spencers Cape zu Ende flickte, froh
darüber, dass ihre Freundin wenigstens nicht mehr an den Zwillingen Kritik
übte.

    Genau in diesem Augenblick betraten eine
halbe Meile nördlich von Upper Marcham Sarah und Annabelle ihr Heim >Chorley
Hall<, nachdem sie dem Anwalt ihres Vaters in der Bezirkshauptstadt einen
vergeblichen Besuch abgestattet hatten.
    Sie standen in der
Eingangshalle, nahmen ihre Umhänge ab und lauschten auf das Geräusch der
Unterhaltung, das aus dem kleinen Salon im Erdgeschoß drang. Sir Benjamins Schwägerin,
Miss Giles, hatte sich nach dem Begräbnis
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