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03 - Saison der Eifersucht

03 - Saison der Eifersucht

Titel: 03 - Saison der Eifersucht
Autoren: Marion Chesney
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ihre Freundin.
    Schwäche konnte
Miss Spencer bestimmt keiner vorwerfen. Sie war eine ledrige Person mit einem
gelblichen, faltigen Gesicht und kleinen, funkelnden schwarzen Augen. Keiner
wußte, wie alt Miss Spencer war, wenn man auch annahm, sie sei in den
Fünfzigern. Sie trug einen abscheulichen steifen Hut und ein Kleid aus
weinrotem Samt, das recht abgewetzt war. Harriet hatte sie vor drei Jahren auf
einem Kirchenfest kennengelernt. Bis heute wußte Miss Spencer nicht, was sie an
der jüngeren Frau so mochte. Sie fand Harriet zu sanft und nachgiebig, aber
vielleicht übernahm sie deshalb die Rolle einer Ratgeberin, und Harriet
schätzte ihre offene, wenn auch oft recht burschikose Art.
    »Hast du meinen
Brief bekommen?« fragte Harriet und holte Nadel und Faden aus ihrem
Nähkörbchen, nachdem sie den Schaden an Miss Spencers Cape begutachtet hatte.
Ein jammervolles Heulen ertönte aus dem Garten. Beauty, der dachte, dass nun
genug Zeit verstrichen und jetzt alles vergeben und vergessen sein müsste,
begehrte Einlass.
    »Lass den grässlichen
Bettvorleger noch ein Weilchen da, wo er ist«, Sagte Miss Spencer. »Ja. Ich
habe deinen Brief bekommen letztendlich. Die Harrisons, bei denen ich wohnte,
nehmen an, dass ihre gesamte Korrespondenz aus Rechnungen besteht, und so haben
sie deinen Brief einfach mit all ihren unbezahlten Rechnungen weggelegt und ihn
erst vor ein paar Tagen entdeckt. Ich bin so schnell ich konnte herbeigeeilt.
Das ist ja wirklich ein großes Glück. Wirklich.«
    »Wie kannst du das
sagen?« rief Harriet aus. »Die armen Zwillinge haben ihren Vater verloren. Ich
soll die Verwaltung der Güter und des Vermögens übernehmen und die Mädchen in
die Gesellschaft einführen, und ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll.«
    »Das Glück besteht
darin: Bis die Mädchen einundzwanzig sind, kannst du ein komfortables Leben
führen, schöne Kleider tragen und in einem guten Londoner Viertel wohnen, und
wenn du Glück hast, machst du selber eine gute Partie.«
    »Aber ich kann mir
Kleider, die fein genug sind, um während der Londoner Saison die Anstandsdame
zu spielen, nicht leisten.«
    »Mein liebes Kind«,
meinte Miss Spencer, »du nimmst das Geld dafür selbstverständlich aus dem
Vermögen.«
    »Das könnte ich
nicht«, entgegnete Harriet. »Mrs. Draycott - Sir Benjamins Schwester, wie
du weißt - hat nach der Verlesung des Testaments ganz laut gesagt, sie
sei überzeugt, dass ich mein Schäfchen schon ins trockene brächte, bevor die
Zwillinge mündig seien. Und auch die Dorfbewohner sind ganz seltsam und
unfreundlich geworden. Ich habe mich schon gefragt, ob Mrs. Draycott sie gegen
mich aufgebracht hat.«
    »Mrs. Draycott
lebt, wie du sehr wohl weißt, in der nächsten Grafschaft und spricht mit keinem
Menschen hier im Dorf. Bist du sicher, dass es nicht die Mädchen sind, Sarah
und Annabelle, die bösen Klatsch verbreitet haben?«
    »Aber ja, ganz
sicher!« rief Harriet völlig schockiert aus. »Du kennst sie natürlich nicht
besonders gut, sie sind in allem, was sie tun, vollendete Damen, reifer als ich
und viel weltklüger. Sie würden sich niemals dazu herablassen, zu klatschen.«
    Miss Spencer
schnaubte sich ausgiebig die Nase. Draußen ließ Beauty erneut ein jammervolles
Geheul ertönen. »Ich muss ihn hereinlassen, liebe Josephine«, sagte Harriet.
»Er wird dich nicht anrühren, wenn du mit mir zusammen im Zimmer bist. Du bist
so lange fort gewesen, dass er dich vergessen hat. Er ist kein sehr
intelligentes Tier, aber so gutherzig und mein einziger Freund, abgesehen von
dir, deshalb -«
    »Lass ihn herein«,
brummte Miss Spencer mürrisch, »und dann können wir vielleicht endlich zur
Sache kommen.«
    Harriet eilte aus
dem Zimmer, und aus dem winzigen Flur war verzücktes Gejaule und hingerissenes
Pfotenscharren zu hören. Beauty kam sabbernd hinter Harriet herein, wartete,
bis sie sich mit ihrem Nähzeug auf dem Schoß zurechtgesetzt hatte und legte
sich dann sofort über ihre Füße, nicht ohne Miss Spencer mit einem kleinen,
braunen, bärenhaften, feindseligen Auge zu betrachten. Miss Spencer blickte
sich im Salon um und dachte - keineswegs zum ersten Mal -, dass
alle Männer Dummköpfe sei en. Es war so typisch für einen Mann, so typisch für
den verstorbenen Sir Benjamin, solch ein verrücktes Testament zu machen. Wie
viel vernünftiger wäre es gewesen, der armen Harriet ein hübsches Sümmchen zu
vererben und ihr damit eine gewisse Unabhängigkeit zu sichern.
    Der Salon war
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