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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan
Autoren: Robert Harris
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wohl wenig Sinn, diese Unterredung noch weiter fortzuführen. Du hast ein Land zu erobern, ich habe mich um andere Dinge zu kümmern.«
    »Was redest du da?«, sagte Caesar aufgebracht. »Ich habe nur die Fakten dargelegt. Wir müssen beide wissen, wo der andere steht. Du kannst das verdammte Legat haben, es gehört dir. Und du kannst es handhaben, wie immer es dir gefällt. Ich würde mich wirklich freuen, dich um mich zu haben, Cicero … wirklich!« Er streckte die Hand aus. »Also los! Die meisten Menschen im öffentlichen Leben sind dermaßen öde. Wir nicht, wir müssen zusammenhalten.«
    »Danke, dass du mich in Erwägung gezogen hast«, sagte Cicero. »Aber das würde nie funktionieren.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich in jenem Dorf von dir ebenfalls danach streben würde, der Erste zu sein. Und wenn ich das nicht sein könnte, dann würde ich zumindest danach streben, ein freier Mann zu sein. Und weißt du, warum du so verdorben bist, Caesar – schlimmer als Pompeius und Clodius, sogar schlimmer als Catilina? Du wirst so lange keine Ruhe geben, bis wir alle vor dir auf die Knie gehen müssen.«

    Die Nacht war bereits angebrochen, als wir wieder in die Stadt zurückkehrten. Cicero zog sich nicht einmal mehr die Decke über den Kopf. Es war schon zu dunkel, als dass ihn jemand hätte erkennen können, außerdem hatten die nach Hause eilenden Menschen wichtigere Dinge im Kopf, als sich um das Schicksal eines ehemaligen Konsuls zu kümmern  – ihr Abendessen, zum Beispiel, oder ihr undichtes Dach oder die Diebe, die sich in Rom mit jedem Tag zu einem schlimmeren Übel auswuchsen.
    Als Cicero Terentia und Atticus, die im Atrium auf ihn gewartet hatten, erzählte, dass er Caesars Angebot abgelehnt habe, sank Terentia mit einem schmerzerfüllten Schrei zu Boden. Cicero kniete sich neben seine Frau, die mit den Händen über dem Kopf auf den Fliesen kauerte, und legte ihr den Arm um die Schultern. »Es wird Zeit, meine Liebe«, sagte er. »Hol Marcus, ihr schlaft heute Nacht in Atticus’ Haus.« Er schaute hoch zu Atticus, und sein alter Freund nickte. »Nach Mitternacht könnte es hier gefährlich werden.«
    Sie machte sich von ihm los. »Und du?«, sagte sie mit bitterer Stimme. »Was machst du? Wirst du dich umbringen?«
    »Wenn du das willst … wenn es alles einfacher macht.«
    »Natürlich will ich das nicht!«, schrie sie ihn an. »Ich will, dass man mir mein Leben zurückgibt!«
    »Das kann ich unglücklicherweise nicht.«
    Wieder streckte Cicero die Hand nach ihr aus, aber sie stieß ihn weg und rappelte sich auf. Mit den Fäusten in den Hüften stand sie da und schaute wütend auf ihn hinunter. »Du könntest dich morgen mit Caesar verbünden, und unser Elend hätte ein Ende. Warum stürzt du deine Frau und dein Kind in diese Qualen?«, fragte sie.
    »Weil ich sonst aufhören würde zu leben.«
    »Was soll das denn heißen, ›aufhören zu leben‹? Ist das wieder so einer von deinen blödsinnig schlauen Gedankenblitzen?«
    »Mein Körper würde weiterleben, aber ich, Cicero, ich … was immer das auch ist … ich wäre tot.«
    Terentia warf verzweifelt die Arme in die Luft und schaute hilfesuchend zu Atticus.
    »Bei allem Respekt, Marcus«, sagte Atticus. »Du hörst dich schon so starrköpfig an wie Cato. Was ist so falsch daran, ein vorübergehendes Bündnis mit Caesar einzugehen?«
    »Weil es eben nicht vorübergehend wäre! Gibt es denn niemanden in dieser Stadt, der das versteht? Der Mann hört nicht eher auf, bis er der Herr des gesamten Erdkreises ist – das hat er mir eben selbst ziemlich deutlich gesagt. Entweder gehe ich seinen Weg mit, als sein untergebener Komplize, oder ich breche zu einem späteren Zeitpunkt mit ihm, und dann bin ich rettungslos verloren.«
    »Du bist schon jetzt rettungslos verloren«, sagte Terentia kalt.

    Nachdem Terentia gegangen war, um Marcus aus seinem Kinderzimmer zu holen, damit er sich verabschieden konnte, sagte Cicero zu mir: »Und nun, Tiro, als meine letzte Handlung in dieser Stadt, möchte ich dir deine Freiheit geben. Ich hätte das schon vor Jahren tun sollen – spätestens nach dem Ende meines Konsulats. Dass ich das nicht getan habe, lag nicht daran, dass ich deine Dienste nicht geschätzt hätte, im Gegenteil, es lag daran, dass ich sie zu sehr geschätzt habe und es nicht ertragen konnte, dich zu verlieren. Jetzt aber, da ich alles verliere, ist es nur gerecht, dass ich mich auch von dir verabschiede. Ich gratuliere dir, mein Freund«,
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