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02 - komplett

02 - komplett

Titel: 02 - komplett
Autoren: 2 Romane
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winzigen Handflächen. Sofort wurde ihr Finger fest umklammert, und Ruth spürte, wie es sie schmerzlich durchzuckte. Die Erinnerung an einen anderen Säugling stürmte wieder auf sie ein. Doch die kleine Faust dieses Kindes hatte sich kalt angefühlt und nicht auf ihre liebevolle Berührung reagiert.
    Ruth wandte sich ab und setzte sich in einen Sessel am Kamin. Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie selbst sich ebenfalls um die Reisenden gesorgt hatte. Die Erleichterung und die Wärme des prasselnden Feuers ließen Müdigkeit in ihr aufsteigen, und die Lider fielen ihr zu.
    Ein Wimmern aus dem Kinderbettchen weckte sie abrupt. Mit einem Blick erkannte Ruth, dass das Kaminfeuer zu roter Glut zusammengesunken war und der Stundenzeiger der Uhr sich bereits der Neun näherte. Sie sprang auf und eilte zu dem kleinen James, der mit angezogenen Beinchen und einem verkrampftem Ausdruck auf dem kleinen Gesicht dalag und schrie. Vermutlich quälten ihn Koliken.
    Nachdem sie den Säugling aus dem Bettchen gehoben hatte, strich sie ihm mit kreisenden Bewegungen über den Rücken, um die Krämpfe zu lindern. Beruhigende Worte murmelnd, machte sie sich auf die Suche nach James’ Kindermädchen. Sarah hatte der Frau für den Abend freigegeben, damit sie und Ruth sich in Ruhe unterhalten konnten. Doch nun wusste Rosie sicher am besten, was zu tun war. Ruth trat auf den verlassenen Korridor hinaus und zögerte. Da sie keine Ahnung hatte, wo sie das Kindermädchen suchen sollte, wandte sie sich zum Kleinen Salon. Sicher würde sie dort Sarah und Gavin antreffen.
    „Mrs. Hayden?“
    Der Klang ihres Namens, gesprochen von einer tiefen Baritonstimme, ließ Ruth auf dem Treppenabsatz innehalten. Überrascht drehte sie sich um und sah einen hochgewachsenen blonden Gentleman auf sich zuschlendern. Sie erkannte ihn sofort, ein Umstand, der ihr selbst merkwürdig vorkam. Schließlich hatte sie Sir Clayton Powell lediglich ein einziges Mal für wenige Minuten gesehen. Noch befremdlicher fand sie allerdings, dass er sich nach über einem Jahr noch an ihren Namen erinnerte. Doch dann fiel ihr ein, dass die Tremaynes ihm möglicherweise erzählt hatten, dass sie heute Abend zugegen sein würde.
    „Ich wusste gar nicht, dass ich Sie hier auf Willowdene Manor antreffen würde“, bemerkte er leichthin, als er herangekommen war und sich höflich verneigt hatte.
    „Unsere Gastgeber haben kein Wort davon verlauten lassen.“
    „Auch für mich kam es vollkommen unerwartet“, antwortete Ruth. Dann hatte er sie also doch von selbst wiedererkannt! „Ich werde allerdings nicht über Nacht bleiben, sondern lediglich zum Dinner.“
    „Wohnen Sie denn in der Nähe?“, erkundigte sich Clayton, die Stirn gerunzelt. „Der Schnee hat die Straßen so gut wie unpassierbar gemacht. Ich bezweifle, dass Sie heute noch nach Hause fahren können.“
    Ruth hatte ähnliche Gedanken selbst schon gehegt. Sie war davon ausgegangen, dass Sarah ihr anbieten würde, auf Willowdene Manor zu übernachten – und obwohl sie weder Nachthemd noch Haarbürste mitgebracht hatte, war sie bereit gewesen, die Einladung anzunehmen. Selbstverständlich wäre es ihr nicht in den Sinn gekommen, darauf zu bestehen, dass Kutscher und Pferde ihretwegen Leib und Leben aufs Spiel setzten. Bis vor wenigen Augenblicken hatte sie nichts Bedenkliches darin gesehen, ein paar Tage hier bei ihren Freunden abzuwarten, bis Tauwetter einsetzte. Doch plötzlich fühlte sie sich seltsam verlegen angesichts der Vorstellung, mit diesem Gentleman unter einem Dach zu schlafen.
    „Zum Glück sind Sie gut hier angekommen“, sagte sie. Selbst in ihren Ohren klang die Bemerkung lahm.
    „Gavin hätte vermutlich Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um zu seiner Familie zu gelangen.“
    „Ja, das kann ich mir vorstellen“, entgegnete Ruth. „Genau das hat Sarah befürchtet.
    Sie hat stundenlang Ängste ausgestanden, weil sie wusste, dass er Kopf und Kragen riskieren würde, um trotz des Wetters nach Hause zu kommen.“
    „Die wunderbare Macht der Liebe“, murmelte Clayton ironisch. Doch dann trat ein warmer Ausdruck in seine Augen, als sein Blick auf den Säugling an Ruths Schulter fiel. „Sollte der Kleine nicht schlafen?“
    „Doch“, antwortete Ruth höflich, aber kurz. Sein zynischer Tonfall hatte sie verärgert.
    Musste er über das Glück seines besten Freundes die Nase rümpfen, nur weil er selbst eine unglückliche Ehe hinter sich hatte? „Aber das Kindermädchen hat den Abend freibekommen,
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