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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens
Autoren: Edgar Wallace
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verlangte, da er sich weit über die Bordseiten hinaushängen mußte. Er hatte die graue Farbe in Malaga kaufen können, und glücklicherweise waren auch die Flächen nicht so groß, die er zu streichen hatte. Der stumpfe Mast der »Jungle Queen« war schon über Bord gegangen - am Tage nach ihrer Abreise von Cap Martin hatte er ihn mit unsäglicher Mühe abgesägt.
    Jean beobachtete ihn kritisch, als er arbeitete. Er war ihr nie so abstoßend vorgekommen wie jetzt, mit seinem acht Tage alten Bart, seinem beschmutzten und zerrissenen Hemd. In dieser Vogelscheuche mit den rauhen und schmutzigen Händen würde niemand den eleganten Lebemann von früher erkannt haben.
    Und doch hatte sie Grund, ihm dankbar zu sein. Sein Verhalten ihr gegenüber war in jeder Beziehung einwandfrei. Nicht ein Wort von Liebe war gesprochen worden. Nicht ein einziges Mal waren ihre zukünftigen Pläne erwähnt worden.
    »Gesetzt den Fall, wir erreichen unbehelligt Südamerika, was dann, Marcus?« Er blickte überrascht von seiner Arbeit auf.
    »Wir heiraten«, antwortete er ruhig, und Jean lachte.
    »Und die jetzige Madame Stepney?«
    »Sie hat sich von mir scheiden lassen«, war Stepneys unerwartete Antwort. »Ich erhielt die Papiere am Tage unserer Abreise.«
    »So, so«, sagte Jean sanft. »Wir heiraten -«
    Er blickte wieder zu ihr hinüber und runzelte die Brauen.
    »Ist denn das nicht auch Ihre Absicht?«
    »Heiraten? Ja, das ist auch meine Meinung. Es scheint mir zwar ein etwas uninteressanter Abschluß zu sein, und doch wird nichts anderes übrigbleiben.«
    Marcus hatte sich wieder seiner Arbeit zugewandt und lehnte sich weit über den Bug hinaus. Plötzlich riß sie das Steuer ganz herum, und das Boot legte sich scharf auf die Seite. Einen Augenblick schien es, als ob Marcus Stepney sein Gleichgewicht nicht wiederfinden könnte, aber mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihm, sich in Sicherheit zu bringen, und er starrte sie mit leichenblassem Gesicht an.
    »Warum haben Sie das gemacht?« fragte er heiser. »Es fehlte nicht viel, und ich war über Bord.«
    »Ein großer Tümmler trieb auf der Oberfläche, schlafend, wie ich glaube«, antwortete sie ruhig. »Es tut mir wirklich sehr leid, Marcus, aber ich habe nicht daran gedacht, daß Sie Ihr Gleichgewicht verlieren könnten.«
    Er blickte sich nach dem schlafenden Fisch um, der aber verschwunden war.
    »Sie haben mir doch gesagt, ich sollte ihnen möglichst aus dem Wege gehen«, rief sie bedauernd. »Habe ich Sie wirklich in Gefahr gebracht?«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, nahm Farbtopf und Pinsel auf und warf sie in die See.
    »Wir wollen das lieber lassen, bis wir irgendwo an der Küste sind. Sie haben mir einen heilsamen Schreck eingejagt, Jean.«
    »Wenn Sie wüßten, wie leid mir das tut! Kommen Sie her und setzen Sie sich zu mir.«
    Sie rückte etwas, um ihm Platz zu machen, und er nahm ihr das Steuerruder aus der Hand.
    Am Horizont tauchten jetzt die Gipfel Nordafrikas mit ihren zerrissenen Linien auf.
    »Marokko.« Er zeigte auf die Küste. »Ich halte es für besser, Gibraltar links liegen zu lassen und längs der Küste bis nach Tanger zu fahren.«
    »Tanger wäre gar nicht so schlecht, wenn wir nicht zwei wären«, fuhr er fort; »wir beide zusammen auf dieser Jacht - das erregt natürlich Verdacht. Man könnte sonst leicht vorgeben, von Gibraltar herübergekommen zu sein. Die Hafenbehörden sind sehr nachlässig.«
    »Vielleicht können wir an der Küste landen«, schlug er vor. »Die Landung ist nicht schwierig, wir würden am Strand entlanglaufen und morgens in Tanger eintreffen -alle Sorten Menschen tauchen in Tanger auf, ohne aufzufallen.«
    Jean blickte über die See. Ein eigenartiger Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.
    »Marokko«, sagte sie leise. »Marokko - daran habe ich gar nicht gedacht!«
    Kurze Zeit später hatten sie einige sehr unangenehme Minuten durchzumachen. Ein niedriges graues Etwas brauste aus der Dunkelheit heran. Stepney riß das Ruder herum, als das Torpedoboot auf seinem Weg nach Gibraltar an ihnen vorbeischoß.
    Er sah die Lichter verschwinden, plötzlich aber drehte das Kriegsschiff bei.
    »Sie suchen uns«, sagte Marcus.
    Die Dunkelheit war hereingebrochen, und er steuerte direkt auf die Küste zu.
    Es konnte kein Zweifel bestehen, daß das Torpedoboot sie suchte. Ein weißer Lichtstrahl schoß von seinem Deck hervor und glitt langsam über die See. Schon glaubten sie, entkommen zu sein, als der Strahl auf das
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