Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0160 - Zuletzt wimmern sie alle

0160 - Zuletzt wimmern sie alle

Titel: 0160 - Zuletzt wimmern sie alle
Autoren: Zuletzt wimmern sie alle (1 of 2)
Vom Netzwerk:
Gegend. Neunzehn Jahre alt, glaube ich.«
    »Habt ihr mit ihr Streit gehabt?«
    »No. Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Zum Teufel«, sagte ich. »Man bringt doch einen Menschen nicht völlig grundlos um! Oder haltet ihr das für eine Art Sport?«
    Er drehte sich um. Auf seiner Stirn standen kleine, glitzernde Schweißperlen.
    »Warum schreien Sie mich an?« fragte er leise. »Wenn ich es für - wie haben Sie gesagt? Ach so, ja - für eine Art Sport hielte, wäre ich doch nicht zu Ihnen gekommen.«
    Er hatte recht. Mir waren einen Augenblick die Nerven durchgegangen.
    »Entschuldige«, sagte ich. »Aberdas Ganze ist doch so unfaßbar - also ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Da kommt abends um halb sieben ein Junge zu mir und sagt, sie sollten ein Mädchen umbringen, das Raila Sheers heißt. Er sagt, sie hätten keinen Streit mit dem Mädchen gehabt. Zum Henker, aber warum soll sie überhaupt umgebracht werden?«
    Der Junge zuckte die Achseln: »Das weiß ich doch nicht.«
    »Wer sagt, daß sie umgebracht werden soll?«
    »Jack.«
    »Wer ist Jack?«
    »Unser Boß.«
    »Wie heißt er weiter? Er wird doch einen Familiennamen haben?«
    Der Junge senkte wieder den Kopf. Er schwieg.
    Ich holte tief Luft und atmete ganz langsam aus. Junge Leute sind manchmal schwieriger als eine hysterische Frau. Ich zwang mich zur Geduld.
    »Hör mal«, sagte ich. »Du hast gesagt, irgendwo ist eine Grenze. Darin stimmen wir überein. Du meinst, daß diese Grenze da erreicht ist, wo es um Menschenleben geht. Auch darin stimmen wir überein. Und dann erzählst du mir, daß jemand umgebracht werden soll. Warum erzählst du es mir? Doch wohl, weil verhindert werden soll, daß dieses Mädchen wirklich umgebracht wird - oder?«
    »Warum sollte ich es sonst erzählen?« brummte er trotzig.
    »Eben. Wenn ich aber etwas verhindern soll, dann muß ich doch wissen, wer es ausführen will! Verstehst du das denn nicht?«
    Er hob wieder den Kopf und schlug seine rechte Faust in die linke Handfläche.
    »Ich bin doch nicht blöd«, sagte er und wandte sich wieder dem Fenster zu. »Und ich kapiere genau, was Sie wollen. Aber Sie verstehen überhaupt nicht, um was es für mich dabei geht!«
    Ich hatte mich wieder hingesetzt. Wenn ich hier zu einem Ziel kommen wollte, dann gab es nur einen einzigen Weg dahin: Geduld.
    Das war mir längst klargeworden. Ich musterte eine Weile schweigend seinen Rücken. Die Schultern hingen herab, und er stand leicht nach vorn gebeugt, als ob er eine schwere Last auf seinem Rücken trüge.
    »Doch«, sagte ich. »Doch, ich denke, ich weiß, um was es für dich geht.«
    »Dann sagen Sie’s mal!« murmelte er, ohne den Kopf zu wenden.
    »Für dich geht es um eine einzige Sache: Verrat oder nicht.«
    Er wirbelte herum. Sein Gesicht war kreidebleich. Er hatte den Mund halb offen, als ob er mich gleich anschreien würde, aber es kam kein Ton über seine Lippen.
    Nachdem er mich ein paar Herzschläge lang stumm angesehen hatte, ging er zurück zu seinem Stuhl und ließ sich darauf niederplumpsen.
    »Na also«, sagte er. »Ich wußte doch gleich, daß Sie kein Dummkopf sein können. Sie haben’s erfaßt, Mister Cotton.«
    Ich sagte nichts. Ich steckte mir nur eine neue Zigarette an. Dabei rechnete ich: Der Junge war jetzt seit zehn Minuten bei mir. In zehn Minuten kann ein Mensch zweifellos umgebracht werden. Schon in wesentlich kürzerer Zeit. Die Frage war: Sollte dieser Mord, von dem er gesprochen hatte, noch am selben Abend ausgeführt werden? Dann war höchste Eile geboten. 'Aber wenn ich ihn nicht wie ein rohes Ei behandelte, würde ich überhaupt nichts weiter erfahren als das, was ich schon gehört hatte - und womit nichts anzufangen war.
    In New York leben rund acht Millionen Menschen. Wie sollte ich innerhalb weniger Minuten herausfinden können, wer davon eine gewisse Raila Sheers war und wo sie wohnte?
    »Wenn Sie schon kapiert haben, um was es für mich geht«, sagte er ernst, »dann könnten Sie mir eigentlich mal einen Rat geben, was ich machen soll!«
    Ich blies den Rauch meiner Zigarette aus. Dann sagte ich: »Ich habe einen Freund. Ich verdanke ihm mehrmals mein Leben, umgedreht er mir das seine. Wir sind Freunde, wie Männer nur Freunde sein können. Kannst du dir darunter etwas vorstellen?«
    Er nickte nur.
    »Trotzdem hat dieser Freund einmal auf mich geschossen«, fuhr ich fort. »Und ich hätte es an seiner Stelle auch getan.«
    »Wieso?«
    »Mich hatte eine Gruppe von Gangstern gekidnappt. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher