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015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler
Autoren: Claudia Kern
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ernsthaft, »sage ich dir, dass du die glücklichste Frau im Volk der Inseln sein wirst. Du und Phratos werdet lange leben und viele Kinder haben.«
    Ayra lächelte verlegen. »Wenn du meinst…«
    Sie sah aus dem Fenster, und ihre Miene hellte sich auf. »Da ist er ja!«
    Aruula blieb zurück, als ihre Tochter aufsprang und den Weg hinunter zum Meer lief. Rogad hatte Phratos bereits als Schwiegersohn akzeptiert und brachte ihm die nötigen Handgriffe der Fischerei bei.
    Es gefiel Aruula zwar nicht, dass auch Phratos diesen Beruf ausüben wollte, aber der Junge ließ sich nicht davon abbringen.
    Aruula hob die Schultern und legte das Kleid zurück in den Schrank.
    Die Alten sagten, es bringe Unglück, zu viele Fischer in einer Familie zu haben, aber Aruula hatte längst entdeckt, dass die Weisheit der Alten oft nicht größer war als die der Jungen.
    Vielleicht empfand sie das aber auch nur so, weil sie selbst langsam alt wurde.
    Das Altern war das Einzige, was Aruula in ihrem Leben wirklich ängstigte. Es waren nicht die Krankheiten, vor denen sie sich fürchtete, sondern der Gedanke, dass sie eines Tages, wenn es längst zu spät war, erkennen würde, dass sie nicht bekommen hatte, wonach sie sich sehnte…
    Die Tür flog auf.
    Rogad, Phratos und Ayra traten ein. Der Raum begann nach Fisch und Meer zu riechen. Ayra hielt die Hand ihres Verlobten, der aufgeregt über den Fischzug erzählte.
    Rogad umarmte seine Frau und küsste sie.
    Aruula lächelte.
    ***
    Jemand zog an seinem Augenlid.
    Matt stöhnte leise, als helles Licht wie ein Messer in seinen Schädel stach.
    Seine Hand und sein Kopf schienen einen internen Wettkampf auszutragen, wer für die meisten Unannehmlichkeiten sorgen könne.
    Matt war sich nicht sicher, wer von beiden vorn lag.
    Er öffnete die Augen.
    Und wünschte sich im nächsten Moment, er hätte das gelassen, denn er sah fünf Mumien, die sich über ihn beugten.
    Mumien? Das kann nicht sein, dachte Matt benommen. Er schloss die Augen und öffnete sie erneut.
    Sein Blick klärte sich. Aus den Mumien wurden menschliche Gesichter, deren Münder und Nasen mit Stoff umwickelt waren. Heiler!
    Ihre Augen starrten ihn an. Einer von ihnen sagte etwas. Unter den Binden klang seine Stimme dumpf. Ein anderer antwortete; dann verschwanden die Gestalten aus seinem Gesichtsfeld.
    Matt drehte den Kopf.
    Er lag auf einer harten Unterlage in einem großen Raum. Überall brannten Kerzen. Ihr Rauch sammelte sich in grauen Schwaden unter der Decke. Eine Gruppe von Heilern stand nebeneinander an der rechten Wand und schien etwas zu beobachten, das sich links von Matt abspielte.
    Er drehte den Kopf zur anderen Seite und entdeckte die fünf Heiler, die sich eben noch über ihn gebeugt hatten. Sie hatten sich um eine große Flasche versammelt, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. Der Aufschrift nach handelte es sich um medizinischen Alkohol.
    Die Heiler schienen irgendein Ritual durchzuführen, denn ihre Köpfe waren gesenkt.
    Neben ihnen stand ein sechster Mann, der leise vor sich hin murmelte. Matt traute seinen Augen kaum, als er in ihm den Heiler erkannte, den er im Lagerraum gefesselt zurückgelassen hatte.
    Wie lange war ich bewusstlos?, fragte er sich besorgt. Er dachte an Aruula, die unten im Dorf mit dem Tod rang. Hoffentlich war es nicht schon zu spät…
    Die Heiler zückten ihre Skalpelle und tauchten die chirurgischen Messer tief in die Flüssigkeit. Dann traten sie ein paar Schritte zur Seite.
    Matt wollte den Kopf heben, um sie weiter zu beobachten, doch als er es versuchte, schnitt ein grober Strick in seinen Hals.
    Für einen Moment geriet Matt in Panik. Er bewegte Arme und Beine und stellte fest, dass man ihn an der Unterlage festgebunden hatte. Er konnte sich nicht bewegen, nur den Kopf drehen.
    Als er das tat, bemerkte er, dass der Blinde und ein weiterer Heiler wieder näher heran getreten waren. Der jüngere Mann nahm einen kleinen Glaskolben aus dem Regal.
    Matt brach der kalte Schweiß aus, als er die Flasche mit den Pesterregern erkannte.
    O nein, dachte er, als der Heiler eine Spritze durch den Deckel stieß und gelassen aufzog.
    Der Heiler verbeugte sich vor dem Blinden und reichte ihm die Spritze. Dann führte er den alten Mann um Matt herum. Beide verschwanden aus seinem Beobachtungskreis und tauchten rechts neben ihm wieder auf.
    Der Blinde hielt die Spritze in seinen mit Stoffen bandagierten Fingern. Ein Tropfen glitzerte an der Spitze der Nadel.
    Die linke, nicht umwickelte
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